Milchwirtschaft:Wettbewerb gestört

Lesezeit: 2 min

Das Kartellamt hält die Verträge zwischen Bauern und Molkereien für unfair. Oft werden die Preise erst nach der Auslieferung festgelegt.

Von Silvia Liebrich, München

Milchkühe in Thüringen: Bauern haben im Wettbewerb wenig zu sagen. (Foto: dpa)

Das Urteil des Bundeskartellamts ist ein harter Schlag für die Molkereien. In ihrer Branchenanalyse kommt die Behörde zu dem Schluss, dass der Wettbewerb in der Milchbranche nicht richtig funktioniert. Schuld daran seien auch die restriktiven Verträge, die Molkereien mit Landwirten abschließen. Obwohl sich das Kartellamt nicht ausdrücklich zur jüngsten Milchkrise äußert, die Botschaft ist klar: Die unfairen Lieferbeziehungen dürften zur prekären Lage beigetragen, in der viele Tierhalter bis heute stecken. Seit den Tiefständen der vergangenen zwei Jahren sind die Milchpreise zwar leicht gestiegen, doch vielen Erzeugern reicht das nach wie vor nicht, um ihre Kosten zu decken oder gar Gewinne zu erzielen.

Die Reaktion des Milchindustrie-Verbands auf die Einschätzung fällt entsprechend harsch aus: "Der Vorstoß des Bundeskartellamts ist weltfremd und demonstriert, dass die Behörde nicht erfasst, wie der Milchmarkt funktioniert." Ganz so einfach ist es aber nicht. Die Analyse ist umfassend. Seit April 2016 hat das Amt 89 private und genossenschaftliche Molkereien befragt und so deren Beziehungen zu den Lieferanten durchleuchtet. Insgesamt verarbeiten die Betriebe fast 100 Prozent der Milchmenge in Deutschland.

Andreas Mundt, der Präsident des Bundeskartellamts formuliert das grundlegende Problem so: "Es gibt so gut wie keine Wechsel der Molkerei." Milchbauern sind also in der Regel auf ihre Abnehmer festgelegt. Ursache dafür seien Verträge mit langen Kündigungsfristen und Laufzeiten. Auch bei der Preisbildung sieht die Behörde Defizite. Oft werden die Preise für Milch erst nach der Auslieferung festgelegt, heißt es. Für die Bauern bedeutet das wenig Planungssicherheit.

Konkrete Folgen hat das sogenannte Sachstandspapier des Kartellamts erst einmal nicht. Nun sollen Gespräche folgen. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) sieht die Befunde als "Diskussionsgrundlage", sagt eine Sprecherin. Ende März will er einen "Branchendialog" mit den Wirtschaftsbeteiligten führen: "Gesetzliche Änderungen sind derzeit nicht geplant." Auch das Kartellamt will Gespräche "intensivieren", sagt Mundt. Der Milchindustrie-Verband befürchtet bereits schwerwiegende Nachteile durch ein mögliches Eingreifen der Behörde. Die seit Jahrzehnten gelebte marktwirtschaftliche Vertragsfreiheit solle "durch ein restriktives System und Verbote ersetzt werden", glaubt Verbandsgeschäftsführer Eckhard Heuser. Mundt will sein Papier dagegen "als Anregung" verstanden wissen. Erste entscheidende Signale könnten jedoch ein derzeit laufendes Musterverfahren liefern, in dem das Bundeskartellamt das Geschäftsmodell des Deutschen Milchkontors - das ist die größte inländische Molkerei - genau prüft. Dieses Verfahren könnte auf weitere Molkereien ausgeweitet werden, heißt es beim Kartellamt. Eine Aussage, die einige Molkereien durchaus als Kampfansage verstehen könnten.

© SZ vom 14.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: