Menschenrechte:Mehr Verantwortung

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Deutsche Firmen lassen meist im Ausland herstellen, etwa in Bangladesch. Dort sind die Löhne billiger. (Foto: Jeff Holt/Bloomberg)

Konzerne sollen abschätzen, ob ihre Produktion Rechte verletzt. Scheitert der Plan, droht ein Gesetz.

Von Caspar Dohmen, Berlin

Ob wegen einem pakistanischen Zulieferer (KiK) oder dem Bau eines Kraftwerks in Honduras (Voith und Siemens) oder dem Import von Platin aus Südafrika (BASF): Immer wieder wird international agierenden Konzernen aus Deutschland vorgeworfen, in die Verletzung von Menschenrechten indirekt verwickelt zu sein oder davon zu profitieren: 23 der 30 Dax-Unternehmen waren in den vergangenen zehn Jahren mit solchen Vorwürfen konfrontiert. Forscher der Universität Maastricht stuften deutsche Unternehmen mit insgesamt 87 Beschwerden in einem internationalen Vergleich auf Platz fünf ein, nach den USA, Großbritannien, China und Kanada. Menschenrechtsverstöße unter Beteiligung deutscher Unternehmen seien "keine seltenen Ausnahmen", sondern in manchen Bereichen "ein strukturelles Problem, sagt Armin Paasch von Misereor. Jetzt sollen hiesige Firmen mehr Verantwortung für ihre verzweigten Produktions- und Beschaffungsketten übernehmen. Das sieht ein nationaler Aktionsplan vor, den die Bundesregierung nach fast zweijährigen Beratungen mit Wirtschaft, Gewerkschaft und Zivilgesellschaft aufgestellt hat und der nun vorliegt. Umgesetzt werden damit die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte; diese hatte der UN-Menschenrechtsausschuss 2011 einstimmig verabschiedet und damit erstmals einen globalen Rahmen für die Umsetzung der staatlichen Schutzpflicht und der unternehmerischen Verantwortung in Bezug auf Wirtschaft und Menschenrechte geschaffen.

Die Bundesregierung erwartet demnach von Unternehmen, eine menschenrechtliche Risikoanalyse in ihrer Liefer- und Wertschöpfungskette einzuführen, "potenziell nachteilige Auswirkungen unternehmerischen Handelns auf die Menschenrechte" sollten ermittelt, verhütet und gemindert werden, heißt es in dem Plan. Es gehe nicht nur um die Beachtung von Risiken für die eigene Geschäftstätigkeit, sondern besonders auch um menschenrechtliche Risiken für "potenziell Betroffene des unternehmerischen Handelns", also eigene Beschäftigte oder solche in der Lieferkette, Anwohner oder Kunden. Unternehmen sollen auch darlegen und begründen, wenn sie "bestimmte Verfahren und Maßnahmen nicht umsetzen". Von 2018 an soll der Prozess von unabhängiger Seite wissenschaftlich überprüft und der Aktionsplan auf dieser Grundlage überarbeitet werden.

Ziel der Bundesregierung ist es, dass mindestens die Hälfte aller in Deutschland ansässigen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten bis 2020 solche Elemente menschenrechtlicher Sorgfalt in ihre Unternehmensprozesse integriert haben. Sollte das Ziel verfehlt werden, sei auch ein Gesetz möglich. Die Rede ist in dem Nationalen Aktionsplan entsprechend von einer "prozesshaften Verbindlichkeit". Bereits jetzt verbindlich soll eine menschenrechtliche Sorgfaltsprüfung für die 174 Unternehmen werden, die dem Bund gehören. Außen vor bleiben sollen Unternehmen, die Kommunen oder Länder besitzen oder mit kontrollieren, wozu auch diverse Unternehmen aus dem Energiesektor gehören.

In dem Plan sind auch diverse politische Ansatzpunkte formuliert. So will die Bundesregierung von der EU fordern, dass sie mit Drittstaaten eine menschenrechtliche Folgenabschätzung vornimmt, noch bevor sie Handels- und Investitionsabkommen abschließt. In Freihandelsabkommen wie TTIP unterstütze die Bundesregierung die "systematische Aufnahme" von Nachhaltigkeitskapiteln. Gestärkt werden soll auch die nationale Kontaktstelle, die bereits heute im Rahmen eines OECD-Verfahrens bei Konflikten vermittelt; sie solle "als zentraler Beschwerdemechanismus für Projekte der Außenwirtschaftsförderung aufgewertet" werden, heißt es.

Kaum eine Volkswirtschaft ist dermaßen in weltwirtschaftliche Zusammenhänge verwoben wie die deutsche, ob bei der Beschaffung von Rohstoffen und Vorprodukten oder dem Verkauf von Waren. Angesichts dessen kommt der Bundesregierung nach Ansicht von Beobachtern eine besondere Verantwortung bei der Umsetzung der sogenannten UN-Leitlinien für Unternehmen und Menschenrechte zu.

Bärbel Kofler (SPD), Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, hält den jetzigen Aktionsplan für "durchaus ambitioniert", die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeber (BDA) will einzelne Aspekte noch nicht kommentieren. Michael Windfuhr, Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte, geht davon aus, "dass der Plan etwas bewegen wird". Nichtregierungsorganisationen wie Brot für die Welt, Amnesty International, Oxfam, Misereor oder Germanwatch aber hatten darauf gehofft, dass sich die Bundesregierung von dem "Paradigma der reinen Freiwilligkeit verabschiedet". Einige NGOs hatten sogar einen eigenen Gesetzentwurf für verbindliche Sorgfaltspflichten für Unternehmen in den Beratungsprozess eingebracht.

Alle Beteiligten können den Plan kommentieren und darauf hoffen, dass er ergänzt wird. Beteiligte NGOs fordern unter anderem, dass Unternehmen bestraft werden, die sich nicht an die Sorgfaltspflichten halten. Sie sollten künftig keine Förderung bei Geschäften im Ausland durch die Bundesregierung erhalten, beispielsweise Bürgschaften. Gleiches solle für öffentliche Aufträge gelten. Außerdem fordern sie, Klagen für Betroffene aus Drittstaaten zu erleichtern, beispielsweise durch Sammelklagen.

Solch gravierenden Nachbesserungen erwarten Vertreter involvierter Ministerien nicht mehr. Den Unternehmensverbänden gingen die Ideen der NGOs ohnehin viel zu weit: Stattdessen forderten sie, dass die unternehmerischen Sorgfaltspflichten freiwillig sind, und wollten verhindern, dass bei der Umsetzung des Plans irgendwelche verbindlichen Elemente eingeführt werden. Sie haben ihr Ziel erreicht.

© SZ vom 22.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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