Maut:Umstrittene Befreiung

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Ob erdgasbetriebene Lkws wirklich viel klimafreundlicher als Lastwagen mit anderen Antriebsformen sind, ist längst nicht klar. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Womit fährt der Lkw der Zukunft? Ein Privileg für Erdgas-Antriebe sorgt für viel Ärger.

Von Markus Balser und Michael Bauchmüller, Berlin

Es sollte ganz schnell gehen - und möglichst geräuschlos. Schon in der vergangenen Woche hatte die große Koalition im Verkehrsausschuss des Bundestags einen von der Energie- und Teilen der Lkw-Lobby ersehnten Plan beschlossen. Noch Ende dieser Woche sollen Bundestag und Bundesrat zustimmen und den Plan endgültig besiegeln. Das Ziel: Ein Teil der Lkw-Flotte soll weiter mautfrei Autobahnen und Bundesstraßen befahren dürfen, und das bis 2023. Nämlich jene Laster, die mit Flüssig- oder Erdgas betrieben werden.

Doch was nach einem harmlosen Anreiz für die klimafreundlicheren Gas-Antriebe aussieht, sorgt nun für handfesten Streit: Was eigentlich ist ein klimafreundlicher Antrieb für Lastwagen? Erdgas ist es nicht, findet etwa Martin Daum, Chef der Trucksparte von Daimler. Vorige Woche wandte er sich per Brief an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), das Schreiben liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Allen Marktteilnehmern sei bewusst, dass Europas Klimavorgaben für schwere Lastwagen "nur durch eine umfassende Elektrifizierung erreicht werden können", schrieb Daum, sei es durch Lkws mit Batterien oder Brennstoffzellen. Eine Mautbefreiung, verbunden mit staatlichen Kaufzuschüssen, setze genau die falschen Anreize. "Hier besteht die Gefahr einer teuren Fehlsteuerung." Die Einführung CO₂-neutraler Fahrzeuge könne "wesentlich verzögert, wenn nicht gar verhindert werden". Kurzum: Scheuer soll die Verlängerung der Mautbefreiung stoppen.

Eigentlich sollte die umstrittene Befreiung Ende 2020 auslaufen. Denn dass Lkws mit Gasantrieb wirklich viel klimafreundlicher sind und zu einer deutlichen Reduktion des CO₂-Ausstoßes beitragen, ist längst nicht klar. Gas verbrennt zwar etwas weniger CO₂ je Kilometer. Aber ganz ohne geht das nur bei Biogas. "Flüssiggas ist keinesfalls geeignet, die Treibhausgasemissionen des Straßengüterverkehrs zu senken", warnt am Dienstag der Naturschutzbund Nabu. Stattdessen sei es ein "gefährlicher Irrweg, der nicht weiter durch staatliche Förderung unterstützt werden darf".

Ein taufrisches Gutachten des Öko-Instituts, erstellt für das Umweltbundesamt, kommt zu ganz ähnlichen Ergebnissen - gerade rechtzeitig vor der Entscheidung.

Bei dem Streit geht es nicht nur um CO₂, sondern auch um den Wettbewerb zwischen Straße und Schiene. Die Koalition öffne der Verkehrsverlagerung mit dieser Subvention Tür und Tor kritisiert Grünen- Verkehrspolitiker Stephan Kühn. Und so sprechen sich auch Schienenverbände wie das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen, der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen und die Allianz pro Schiene gegen eine Verlängerung aus. Die könnte sogar einen Anstieg der CO₂-Emissionen im Güterverkehr auslösen, erklären die Verbände.

Der Streit wirft ein Schlaglicht auf die Konflikte rund um die "Dekarbonisierung"

So entbrennt rund um die drei Jahre Mautbefreiung ein Kampf ums Grundsätzliche. Die Gaswirtschaft etwa pocht auf die Klimavorteile des verflüssigten Erdgases - und hat wenig Verständnis für Daimler. Wie der Konzern da auftrete, "erstaunt uns sehr", sagt Timm Kehler, Chef des Forums Zukunft Erdgas. "Das lässt sich nur damit erklären, dass der Konzern selbst kaum Erdgas-Antriebe im Angebot hat."

Auch die halbstaatliche Deutsche Energieagentur (Dena) hat sich kürzlich eingemischt. In einem Positionspapier sprach sie sich deutlich für eine Verlängerung des Mautprivilegs aus. Ersonnen hatte sie die Position aber zusammen mit einer "Taskforce" aus Energieunternehmen, Lkw-Herstellern und Mineralölkonzernen wie Shell, Total, BP oder Exxon Mobil. Man habe da nur "koordiniert und moderiert", heißt es bei der Dena, Geld sei nicht geflossen. Allerdings seien die mit flüssigem Gas betriebenen LNG-Lkws eben "aktuell die einzige marktreife Alternative im Schwerlastverkehr über lange Distanzen".

Das Verkehrsministerium selbst wollte sich auf Anfrage nicht zur Zukunft des Mautprivilegs äußern. Längst wirft der Streit ein Schlaglicht auf die vielen Konflikte, die rund um die "Dekarbonisierung" noch dräuen. Denn mit einem klimaneutralen Deutschland wird sich auch der gasbetriebene Lkw nicht vertragen, egal, ob er nun sieben Prozent weniger CO₂ ausstößt als ein neuer Diesel (das sagt Daimler) oder knapp 20 Prozent (das sagt die Gaslobby). Daimler-Vorstand Daum übrigens würde die Maut am liebsten komplett umbauen, zu einer CO₂-basierten Bepreisung, "die eine klare Richtung zur Bekämpfung des Klimawandels vorgibt". Ein Thema vielleicht vor der nächsten Verlängerung: 2023.

© SZ vom 13.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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