Es sind Bilder, der jeden erschaudern lassen, der sie einmal gesehen hat: Hühner, die im Millisekunden-Takt von Maschinen getötet werden. Küken, die geschreddert werden, weil sie männlich sind, und sich darum ihre Mast nicht lohnt. Schweine, denen die Ringelschwänzchen abgeschnitten werden, weil sie sich die sonst unter dem Stress der Massentierhaltung gegenseitig abknabbern würden.
Derartige Zustände sind in Deutschland Realität und eine Folge der Massentierhaltung. Und von diesen Betrieben gibt es in Deutschland immer mehr, wie eine Studie nun zeigt.
Die Grünen-Politiker Friedrich Ostendorff und Bärbel Höhn haben sich genau angeschaut, wie viele neue Masttierplätze zwischen 2009 und 2012 beantragt und/oder genehmigt worden sind. Dafür haben sie die Daten in den Genehmigungsbehörden der dafür meist zuständigen Landkreise oder Länder abgefragt. Ihre Zahlen liegen Süddeutsche.de jetzt vor - und die Steigerungsraten sind enorm.
2,5 Millionen Schweinemastplätze
Im Zeitraum 2009 bis 2012 wurden bundesweit gut 38 Millionen neue Geflügelplätze beantragt beziehungsweise genehmigt. Die Zahl bezieht sich lediglich auf Masttiere. Legehennen und anderes Geflügel sind außen vor. Erstaunlicher noch sind die Steigerungsraten. Zwischen 2003 und 2005 lag die Zahl noch bei gut zehn Millionen. Zwischen 2005 und 2008 bei etwa 26 Millionen.
Nicht anders sieht es nach den Zahlen, die Höhn und Ostendorff ermittelt haben, bei den Schweinen aus. Gegenüber dem Zeitraum 2005 bis 2008 hat sich die Zahl der beantragten und/oder genehmigten Schweinehaltungsplätze um satte 60 Prozent auf über 2,5 Millionen erhöht. Damals waren es noch 1,54 Millionen. In den Jahren 2003 bis 2005 waren es 1,45 Millionen.
Fleischatlas:Die zehn größten Fleischkonzerne
Wie viel Antibiotika wird weltweit verfüttert? Wie viel Klimagas steckt im Steak? Wie heißen die großen Konzerne? "Süddeutsche.de" dokumentiert Fakten aus dem neuen Fleischatlas der Heinrich-Böll-Stiftung und des Naturschutzverbands BUND.
Deutschland wird immer mehr zum Massenfleischproduzenten für die Welt. Schwerpunkt der Fleischindustrie bleibt dabei Niedersachsen. Entlang der Autobahn 31, dem Chicken-Highway Niedersachsens, warten mehr Hühner auf ihren schnellen Tod als das Land Einwohner hat. Und es werden auch dort immer mehr. Mit knapp 20 Millionen neuen Plätzen für Mastgeflügel entfallen auf das Fleischland 55 Prozent der bundesweit neu beantragten und/oder genehmigten Plätze.
Deutschland produziert inzwischen mehr Fleisch, als im Inland verzehrt wird. Im Jahr 2006 wurde in Deutschland noch 96 Prozent des hiesigen Bedarfs produziert. Im Jahr 2011 waren es bereits 115 Prozent. "Deutsches Billigfleisch verdrängt in Drittländern die heimische, lokale Produktion. Davon betroffen sind vor allem die Frauen, die zumeist die Landwirtschaft betreiben", schreiben Höhn und Ostendorff in ihrer Studie.
Nicht nur das. Längst bekannt sind die Folgen der Massentierhaltung für Mensch und Umwelt: Regelmäßiger Antibiotika-Einsatz, ohne den ein Großteil der Tiere vorzeitig sterben würden. Die Überdüngung der Böden durch die anfallende Gülle. Die Belastung durch Lärm und Feinstaub für Anwohner solcher Mastanlagen, die gerne wie Hochsicherheitsgefängnisse mit Stacheldraht und Videoüberwachung geschützt werden.
Bärbel Höhn, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag und frühere Umweltministerin in Nordrhein-Westfalen, erklärt, dass die Folgekosten dieser Massentierhaltung für die Gesellschaft unübersehbar seien. Friedrich Ostendorff, der agrarpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfrakion ergänzt: "Wer Gülleseen, Antibiotikamissbrauch und die Ausbreitung gefährlicher multiresistenter Keime stoppen will, muss der Expansion von Tierfabriken ein Ende setzen."