Manager:Preis der Arroganz

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Pierer, Ackermann, Zumwinkel: Nie hatten Manager einen schlechteren Ruf als heute. Viele von ihnen zahlen den Preis für ihre eigene Arroganz.

Karl-Heinz Büschemann

Der Vorgang hat Seltenheitswert. Der Aufsichtsrat von Siemens verklagt den gesamten früheren Vorstand des Unternehmens auf Schadenersatz. Die Vorstandsmitglieder der Vergangenheit sollen den Schaden ersetzen, der eintrat, weil das Unternehmen jahrelang Schmiergeld an Kunden zahlte, um Großaufträge zu erlangen. Solche Härte hat es in der deutschen Wirtschaftsgeschichte noch nicht gegeben, und man kann vermuten, dass das Verklagen eines kompletten Unternehmensvorstandes so schnell auch nicht wieder passieren wird.

Nie hatten Manager einen schlechteren Ruf als heute. Doch daran sind sie selbst schuld. (Foto: Foto: dpa)

Das Drama bei Siemens, in dem sogar die langjährige Freundschaft des früheren Siemens-Chefs Heinrich von Pierer und des heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden Gerhard Cromme in die Brüche ging, ist der vorläufige Höhepunkt der anhaltenden Entzauberung einer ganzen Kaste.

Die Siemens-Schmiergeldaffäre und ihre juristische Aufarbeitung ist das bislang klarste Indiz dafür, wie die heile Welt der Manager in die Brüche geht. Wohl nie hatten die Manager ein schlechteres Ansehen als heute. Dazu haben viele Vorstände selbst nach Kräften beigetragen. Jetzt müssen sie den Preis für die langjährige Arroganz bezahlen.

Früher war Kritik selten

War das schön, als die Welt klein war, die Globalisierung noch nicht um sich gegriffen hatte und immer dieselben deutschen Manager in den Aufsichtsräten zusammensaßen und sich gegenseitig schützten, statt Kontrolle auszuüben. Bis Ende der achtziger Jahre zogen vor allem die Herren der Deutschen Bank die Fäden in den wichtigsten Unternehmen, und ein Mann wie der Bankchef Alfred Herrhausen war ähnlich angesehen wie der gleichzeitig amtierende Bundespräsident Richard von Weizsäcker.

Unternehmenschefs wurden in der bundesdeutschen Geschichte zwar gern als Zigarren qualmende Fettwänste karikiert, tatsächlich aber waren sie respektiert. Sie handelten von der breiten Öffentlichkeit meist unbeachtet, in der Tagesschau kamen sie selten vor, und sie hatten einen Status der Unangreifbarkeit. Wenn sie doch mal Kritik auf sich zogen, konterten sie mit dem Totschlagsargument, sie schüfen in der Republik schließlich die Arbeitsplätze und nicht die Politiker.

Die heutigen Manager stehen mehr im Blickpunkt, und an ihnen wird stärker gezweifelt als an ihren Vorgängern. Für die Konzernchefs, die in einer klaren Kommandostruktur manchmal über Hunderttausende Mitarbeiter befinden, ist es offenbar schwer zu verstehen, dass sie in der Welt draußen nicht automatisch recht haben.

Der Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, der vor Gericht das Victory-Zeichen machte, dokumentiert, dass ihm die Gesetze nicht viel anhaben können. Firmenchefs, die nach Fehlern mit hohen Abfindungen ihre Posten räumen, zeigen, dass für sie soziale Verantwortung ein Fremdwort ist. Jene Manager, die Millionen Menschen mit gewaltigen Versprechungen zum Kauf ihrer Aktien bewegen, die bald ins Bodenlose abstürzen, dürfen sich nicht wundern, wenn ihnen nicht vertraut wird.

Lesen Sie im zweiten Teil, wieso die Justiz nun mit wachsender Härte Gesetzesverstöße von Managern ahndet - und warum das auch gut so ist.

Das ist das Klima, in dem der Widerstand gegen die Herren in den Führungsetagen auf breiter Front wächst. Die Aktionäre werden sauer und verlangen bessere Leistungen von ihren hochbezahlten Unternehmenschefs. Die Politiker fühlen sich bei jeder Dummheit von Managern sogleich aufgerufen, vor Fernsehkameras entschlossen zu neuen Gesetzen aufzurufen. Sie bekommen Beifall noch für die abwegigsten Vorschläge wie gesetzliche Obergrenzen für Managergehälter, die sich nicht einmal ansatzweise kontrollieren ließen. Aber Politiker machen schon Punkte, wenn sie nur kräftig auf die Manager einprügeln.

Auch die Justiz reagiert. Sie steht ebenfalls unter Erfolgsdruck und muss beweisen, dass sie alles tut, um auch große Übeltäter mattzusetzen und nicht nur Taschendiebe. Früher haben Staatsanwälte die Gesetzesverstöße in der Wirtschaft als nachrangig angesehen. Sie hatten die finanziellen und personellen Mittel nicht, um Tätern in den feinen Anzügen auf die Spur zu kommen. Oft haben die Juristen des Staates nicht einmal verstanden, was in der Wirtschaft geschah. Und in der Regel hatten die Konzerne die besseren Anwälte, um die Gerichte zu beeindrucken. Man ließ die Herren gewähren.

Selbst der Prozess in den sechziger Jahren um das Schlafmittel Contergan, das zur Missbildung von 5000 Neugeborenen führte, endete mit einem lauen Vergleich. Zuvor war der Verdacht aufgekommen, die Richter hätten mit den Anwälten des Herstellers gekungelt.

Inszenierung der Staatsmacht

Mit solcher Nachsicht können heutige Manager nicht mehr rechnen. Die Ermittlungsbehörden haben in besonderen Schwerpunktstaatsanwaltschaften aufgerüstet. Firmenchefs müssen heute mit besonderer Härte rechnen. Es sah aus wie eine geplante Inszenierung, als die Staatsanwälte im Februar dieses Jahres vor laufenden Fernsehkameras den wegen Steuerhinterziehung verdächtigten Post-Chef Klaus Zumwinkel aus seinem Haus führten.

Da drängte sich der Eindruck auf, auch der Staat greife gelegentlich zu Prangermethoden, die eigentlich der Vergangenheit angehören sollten. Möglich, dass in der Hitze der allgemeinen Anti-Manager-Debatte auch Staatsanwälte überreagieren und das Pendel etwas zu weit ins andere Extrem ausgeschlagen ist.

Trotzdem kann es keinen Zweifel geben: Gesetze müssen von allen beachtet werden. Wenn manche in den Vorständen erst jetzt begreifen, dass sie nicht über dem Gesetz stehen, müssen sie die nötige Lektion eben mit Verspätung lernen. Ob sie eine Elite sind oder nicht, ist dabei nicht wichtig. Entscheidend ist, dass sie als Manager auch Staatsbürger sind. Nicht mehr und nicht weniger.

© SZ vom 02.08.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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