MAN:Amnestie-Programm für geständige Mitarbeiter

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Vorbild Siemens: MAN will zur Aufklärung des Korruptionsskandals nach Informationen der SZ ein Amnestie-Programm für Mitarbeiter starten.

Klaus Ott

Die Korruptionsaffäre beim Fahrzeugkonzern MAN kostet den ersten Top-Manager seinen Job. Peter Erichreineke, gegen den die Staatsanwaltschaft ermittelt, hat sich beurlauben lassen.

Der Name MAN stand bislang für leistungsfähige Lastwagen, doch nun wird eines der ältesten Industrieunternehmen der Welt von einem Korruptionsfall erschüttert. (Foto: Foto: ddp)

MAN teilte am Sonntag mit, dass Erichreineke auf eigenen Wunsch vorläufig von seinen Amtspflichten entbunden wurde. Erichreineke war bislang Vorstandsmitglied der MAN Nutzfahrzeuge AG, die als größte Konzernsparte mehr als zwei Drittel des Jahresumsatzes von 15 Milliarden Euro erwirtschaftet.

Die MAN Nutzfahrzeuge AG verkauft jährlich rund 100.000 Lastwagen und Busse in alle Welt. Der Konzern soll zwei Schmiergeldsysteme im In- und Ausland betrieben haben, um den Absatz der Fahrzeuge anzukurbeln. Erichreineke wurde bereits vor knapp zwei Wochen von der Staatsanwaltschaft als Beschuldigter vernommen. Die Strafverfolger untersuchen verdächtige Zahlungen in Höhe von 16 Millionen Euro.

Um die Aufklärung des Korruptionsfalles voranzutreiben, will der Vorstand der Konzernmutter MAN AG nach Informationen der Süddeutschen Zeitung diese Woche ein sogenanntes Amnestie-Programm für Mitarbeiter starten, die in fragwürdige Vorgänge verwickelt sind und ein Geständnis ablegen. Wer auspackt und so die Untersuchungen erleichtert, soll weder gekündigt noch auf Schadenersatz verklagt werden.

Vorbild Siemens

Das Programm gilt aber nicht für Manager aus den obersten Führungsebenen und auch nicht für Beschäftigte, die in die eigene Tasche gewirtschaftet haben. Vorbild für dieses Vorgehen ist die in den vergangenen Jahren von einem Schmiergeldskandal heimgesuchte Siemens AG, die im Oktober 2007 erstmals in Deutschland ein solches Programm eingeführt und damit Erfolg gehabt hat.

MAN will diese Woche mit eigenen umfassenden Untersuchungen beginnen. Je schneller man die Sache vom Tisch habe, desto eher könne man sich wieder auf das Geschäft konzentrieren, ist aus Unternehmenskreisen zu hören. Mit den Nachforschungen bei MAN sollen die Wirtschaftsprüfgesellschaft KPMG und erfahrene Anwälte beauftragt werden. Außerdem will der vom VW-Patriarchen Ferdinand Piëch geleitete MAN-Aufsichtsrat eine international tätige Anwaltskanzlei einschalten. Sie soll die internen Untersuchungen beaufsichtigen und dem Kontrollgremium berichten.

Piëch wolle sich selbst um den Korruptionsfall kümmern und diese Angelegenheit nicht allein Konzernchef Hakan Samuelsson überlassen, heißt es. Ein Konzernsprecher sagte auf Anfrage der SZ, man wolle sich wegen der laufenden Ermittlungen nicht äußern.

Drei Beschäftigte verhaftet

Im Fall MAN hat die Münchner Staatsanwaltschaft nach SZ-Informationen zwischenzeitlich drei Beschäftigte des Konzerns verhaftet. Zwei von ihnen sollen Angestellte aus Niederlassungen in Nordrhein-Westfalen sein, die dort für den Verkauf von Lastwagen und Bussen zuständig waren. Beim dritten soll es sich um eine frühere Führungskraft der MAN-Tochter Turbo handeln. Zwei der drei Verhafteten sind nach Angaben aus Unternehmenskreisen inzwischen wieder frei. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen weit über 100 Beschuldigte, rund 50 von ihnen sollen Angestellte von MAN sein. Bei den übrigen Verdächtigen handelt es sich um Mitarbeiter von MAN-Kunden, die Schmiergeld genommen haben sollen.

Bei den Auslandsgeschäften des Fahrzeugkonzerns geht die Münchner Staatsanwaltschaft unter anderem Hinweisen nach, dass das Unternehmen in mehreren südeuropäischen Ländern Amtsträger bestochen hat, um von Staatsbetrieben Großaufträge für Busse zu erhalten. Nach Angaben der griechischen Zeitung Kathimerini will sich auch die Staatsanwaltschaft in Athen der Sache annehmen und den Kauf von Stadtbussen durch eine staatliche Gesellschaft bei MAN untersuchen. MAN hat wiederholt Busse nach Griechenland geliefert.

Inzwischen ist auch klar, wie die mutmaßlichen Gesetzesverstöße bei MAN entdeckt wurden. Bei einer Betriebsprüfung durch die Finanzbehörden waren mehrwertsteuerfreie Provisionszahlungen aufgefallen. Dieses Geld ging an Privatleute und nicht an hauptberufliche und somit mehrwertsteuerpflichtige Handelsagenten. Dass Privatleute angeblich den Verkauf von Lastwagen und Bussen vermittelten, kam den Behörden merkwürdig vor. Die Staatsanwaltschaft wurde eingeschaltet und startete Anfang Mai eine Großrazzia.

© SZ vom 18.5.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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