Luftverkehr:Airlines verpflichten sich zur Klimaneutralität

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Die Luftfahrt war der erste Industriesektor, der sich vor Jahren eigene Klimaziele gegeben hatte. (Foto: Frank Hoermann/imago images)

Die International Air Transport Association will dieses Ziel bis 2050 erreichen. Die chinesischen Fluggesellschaften ziehen allerdings nicht mit.

Von Jens Flottau, Boston

Es war, wie man hört, harte Arbeit. Monatelang hat Willie Walsh versucht, die Fluggesellschaften weltweit auf das neue Ziel einzuschwören. Doch kurz nachdem der neue Chef der International Air Transport Association (IATA) in Boston seine Resolution vorgestellt hatte, durch die die Luftfahrt viel umweltverträglicher werden soll, wurde klar, dass er nicht alle Mitglieder hinter sich hat. Die chinesischen Airlines verlangten einen Sonderweg.

Die Luftfahrt war der erste Industriesektor, der sich vor Jahren eigene Klimaziele gegeben hatte. Bis 2050 wollte die Branche die Kohlendioxid-Emissionen netto auf die Hälfte des Niveaus von 2005 bringen. Doch die Ziele, die einst wegweisend waren, sind heute kaum mehr der Rede wert: "Die Wissenschaft sagt uns, dass die Situation schlimmer ist, als wir dachten. Unsere bisherigen Ziele sind nicht ambitioniert genug," sagte Walsh. Daher will der globale Luftverkehrssektor bis 2050 klimaneutral sein. Dieses Ziel soll durch nachhaltig produzierte Treibstoffe, sparsamere Flugzeuge oder Projekte wie das Wasserstoff-Flugzeug, das Airbus bis 2035 auf den Markt bringen will, erreicht werden.

Einzelne Fluggesellschaften oder regionale Verbände wie Airlines for Europe (A4E) hatten das für sich sowieso schon längst entschieden, aber Klimaneutralität auf globaler Ebene erreichen zu wollen, das ist neu. Zwar hat eine Mehrheit der IATA-Mitglieder die neue Position abgesegnet und damit auch zum offiziellen Ziel der Branche gemacht, aber der Widerstand der chinesischen Airlines ist mehr als nur ein Schönheitsfehler: China war vor der Krise der am stärksten wachsende Markt und soll immer noch bis zum Ende des Jahrzehnts die USA oder Europa überholen. Was die chinesischen Airlines tun oder eben auch nicht tun, ist im globalen Maßstab relevant. Sie wehrten sich mit nahezu gleichlautenden Statements gegen den Vorstoß Walshs und schlugen vor, die Klimaneutralität erst für 2060 anzustreben, also zehn Jahre später, als es die IATA will, und im Einklang mit den Vorgaben der chinesischen Regierung. Doch der Verband blieb bei seiner Haltung und hat nun ein Problem mit einem wichtigen Teil seiner Mitglieder.

Vor dem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass die IATA nur Minuten später den Ort der nächsten Jahresversammlung, die im Juni 2022 geplant ist, bekanntgab: Shanghai. So sehen offenbar Friedensangebote aus.

Der Vorgang ist auch unter einem anderen Aspekt bemerkenswert. Würde die Veranstaltung nächste Woche stattfinden, könnte kein einziger Delegierter von außerhalb Chinas teilnehmen, so streng sind die wegen der Corona-Pandemie erlassenen Reiserestriktionen. Im Umkehrschluss heißt das aber auch: China wird in den nächsten Wochen die Beschränkungen zum großen Teil wieder fallen lassen. Für die Flugbranche wäre dies die nächste sehr gute Nachricht, nachdem zuletzt bereits die USA angekündigt hatten, die Grenzen für gegen das Coronavirus geimpfte Reisende wieder zu öffnen. Asien ist insgesamt aber immer noch sehr stark vom internationalen Luftverkehr abgeschnitten. Lufthansa-Chef Carsten Spohr machte dies an einem Beispiel deutlich: Derzeit habe die Lufthansa mehr Flüge nach New York und Chicago als nach Asien.

Prognosen zufolge werden die amerikanischen Airlines als Erste wieder profitabel sein

Es wird für die Airlines noch lange dauern, bis wieder eine gewisse Normalität herrscht. Die IATA rechnet damit, dass der Sektor Verluste von 201 Milliarden US-Dollar angehäuft haben wird, bevor er 2023 wieder Gewinne macht. 2020 war mit Verlusten von 138 Milliarden Dollar das mit Abstand schlechteste Jahr der Geschichte, doch auch 2021 werden die Airlines mit 52 Milliarden Dollar noch einmal massiv rote Zahlen schreiben. Im kommenden Jahr werden den Prognosen zufolge die amerikanischen Airlines als Erste wieder profitabel sein.

Walsh warnte aber, dass die Erholung durch komplizierte Regeln und Restriktionen ausgebremst werden dürfte. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 seien weltweit zahlreiche neue Sicherheitsauflagen eingeführt worden. Viele davon seien immer noch nicht abgeschafft worden, obwohl sie dank besserer Technologie längst überholt seien. "Diesen Fehler dürfen wir nicht wieder machen", forderte Walsh.

Die Art und Weise, wie Regierungen mit Reiserestriktionen umgingen, müsse "dramatisch verbessert" werden, so Walsh. Einschränkungen dürften nicht einen Tag länger als unbedingt nötig gelten. "Es gibt kaum Erkenntnisse, dass pauschale Reiserestriktionen etwas bringen", sagte der IATA-Chef. "Reisen erhöht nicht das COVID-19-Risiko."

Die Airlines stehen zwar voll hinter den Impfkampagnen, wollen selbst aber keine Impfungen für ihre Passagiere vorschreiben. Dazu sei es in vielen Regionen der Welt immer noch viel zu schwierig, überhaupt an Impfstoffe zu kommen. Was die Piloten und Flugbegleiter angeht, ist es kompliziert: In Deutschland etwa könnte Lufthansa ihren Mitarbeitern keine Covid-19-Impfung vorschreiben. Allerdings, so Konzern-Chef Spohr, gebe es de facto einen Impfzwang, denn viele Länder verpflichten die Airlines, nur noch geimpfte Crews auf internationalen Flügen einzusetzen.

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