Luftverkehr:Fortschritt auf dem Papier

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Eine Boeing 747-8F" zieht hoch über Frankfurt am Main Kondensstreifen hinter sich her. (Foto: Christoph Schmidt/dpa)

Die Mitglieder der Europäischen Kommission dürfen nun über das Luftverkehrsabkommen verhandeln.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Auf den ersten Blick ist für Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt alles gut gelaufen. Nachdem die EU-Verkehrsminister der Europäischen Kommission am Dienstagabend das Mandat erteilt haben, künftig für alle 28 Mitgliedsländer mit vier wichtigen ausländischen Partnern Luftverkehrsabkommen zu verhandeln, ist er ein Thema los, mit dem er zuletzt nur Ärger hatte. Dobrindt kann auch darauf verweisen, dass die Kommission eine weitere Liberalisierung anstrebt, was sich immer gut macht. Er hat die mächtige Lufthansa im Boot, die auf einheitliche Wettbewerbsbedingungen dringt, und sogar Air Berlin müsste der Entscheidung in der Theorie etwas Gutes abgewinnen können, denn die Kommission will die Eigentumsbeschränkungen für Fluggesellschaften aufweichen - Air-Berlin-Großaktionär Etihad könnte dann vielleicht irgendwann die Mehrheit übernehmen.

Die Praxis indes könnte am Ende ganz anders aussehen. Sie könnte schlicht Stillstand bedeuten: keinen größeren Marktzugang für nichteuropäische Fluggesellschaften, keine Verbesserungen bei den Investitionsmöglichkeiten und kaum Wachstumschancen für die Flughäfen hierzulande, wenn sie nicht gerade Frankfurt oder München heißen oder wie Berlin vom innereuropäischen Billigverkehr profitieren.

Passiert ist Folgendes: Verkehrskommissarin Violeta Bulc hat von den EU-Verkehrsministern den Auftrag bekommen, mit den Asean-Staaten, der Türkei, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar neue Verträge zu verhandeln, die regeln sollen, wie viele Flüge zwischen ihnen und Europa stattfinden dürfen. Bislang hat jeder einzelne Staat solche Verhandlungen jeweils für sich geführt, auch Deutschland. In der Türkei, den Emiraten und in Katar sitzen mit Turkish Airlines, Emirates, Etihad und Qatar Airways Fluggesellschaften, die Lufthansa als große Bedrohung wahrnimmt. Daher wirbt sie in Berlin seit Jahren massiv dafür, den vier Anbietern keine weiteren Verkehrsrechte zu gewähren. Sie wirft den drei Airlines vom Golf auch vor, staatlich subventioniert zu sein, was diese bestreiten. Lufthansa fordert daher "Fair Competition"-Klauseln, die festlegen sollen, welche Hilfen zulässig sind.

Die Ausgangslage ist je nach Land unterschiedlich. Turkish Airlines kann bereits unbegrenzt nach Deutschland fliegen, aus Lufthansa-Sicht wird sich also auch bei einem neuen Abkommen wenig ändern. Die Verträge mit den Emiraten und Katar sind wesentlich restriktiver, daher hätte die größte deutsche Fluggesellschaft viel mehr zu verlieren. Profitieren könnten dagegen die deutschen Flughäfen, wenn Emirates, Etihad und Qatar Airways noch mehr nach Deutschland fliegen.

Kritiker des EU-Mandates vermuten hinter dem Manöver eine besondere List: Die Verhandlungen der Kommission werden sich, weil sie komplex sind und die Behörde heute noch gar nicht genügend Fachleute dafür hat, lange hinziehen. Sprich: Am Status quo wird sich auf Jahre hinaus nichts ändern. Immerhin ist das Mandat dem Vernehmen nach zeitlich auf drei Jahre begrenzt und noch ist nicht gesagt, ob die Emirate oder Katar die Europäische Kommission überhaupt als Verhandlungspartner akzeptieren. Wenn bis dahin keine neuen Abkommen unterzeichnet sind, erlischt es, und die EU-Mitgliedsstaaten wären wieder selbst zuständig. Kleine Ironie am Rande: Slowenien, Heimatland von Violeta Bulc, hat auf den letzten Drücker noch ein eigenes Abkommen mit den Emiraten abgeschlossen.

© SZ vom 09.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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