Berlin/Frankfurt (dpa) - Nach dem Ende der Air Berlin wird nach Einschätzung eines Experten ein Ansturm auf frei werdende Zeitfenster für Starts und Landungen einsetzen.
Die sogenannten Slots dürften auf größtes Interesse vor allem bei Billig-Fluggesellschaften stoßen, sagte der Luftverkehrs-Fachmann Jörg Schwingeler von der Beratungsgesellschaft Prologis Strategy der Deutschen Presse-Agentur. Auch der Lufthansa-Konzern, der sich bereits die Air-Berlin-Töchter LGW und Niki mit umfangreichen Verkehrsrechten gesichert hat, könnte sich um weitere attraktive Slots für die Tochter Eurowings bewerben.
„Deutschland gilt als vergleichsweise schwach entwickelter Low-cost-Markt in Europa. Hier ist einfach das größte Potenzial für Wachstum“, erklärte Schwingeler. Besonders großes Interesse vermutet der Berater bei der britischen Easyjet, die immer noch in Verhandlungen um verbliebene Unternehmensteile der Air Berlin steht. Schon wegen der Brexit-Problematik brauche Easyjet dringend einen weiteren starken Markt in Europa. Auch innerdeutsche Flüge passten in das Portfolio der Londoner.
Bis zu 25 Flugzeuge wollen die Briten samt Start- und Landerechten aus der Insolvenzmasse von Air Berlin übernehmen, wenn der Preis stimmt. Unüberwindbare Hürden sieht Schwingeler dafür nicht: „Es ist aus meiner Sicht rechtlich möglich, einen Teil der Operation aus der Air Berlin herauszulösen.“ Dann käme es darauf an, ob der Flughafenkoordinator der Bundesrepublik Easyjet als Nachfolgerin der Air Berlin anerkennt und ihr die Rechte an den Slots zuspricht.
Doch selbst bei einem Scheitern der Verkaufsgespräche wäre Easyjet nicht aus dem Rennen, sondern könnte sich wie die versammelte Konkurrenz um die frei gewordenen Zeiten bewerben. „Das ist für jede Gesellschaft attraktiv, zumal man kein Geld auf den Tisch legen muss“, so Schwingeler. Eine genaue Zahl der in Berlin oder Düsseldorf frei werdenden Slots kennt er nach eigenem Bekunden zwar nicht - weist aber darauf hin, dass beispielsweise Tegel bislang zu den Randzeiten morgens und abends „komplett dicht“ ist.
Nicht genutzte Zeitfenster fallen mit Fristen in einen Slot-Pool zurück und werden vom Koordinator nach feststehenden Regularien neu verteilt. Das geschehe aber keinesfalls im Rahmen einer Konferenz, erklärt eine Sprecherin der Behörde in Frankfurt, die dem Bundesverkehrsministerium unterstellt ist.
„Die Hälfte der Slots sind für Gesellschaften vorgesehen, die neu im Berliner Flughafensystem aus Tegel und Schönefeld antreten. Die andere Hälfte ist für die Bestandskunden offen“, schildert Schwingeler das grundsätzliche Vorgehen.
Es sei für Billigflieger kein Problem, in einem Großraum mehrere Flughäfen anzusteuern, erläuterte der Prologis-Experte. „Sie haben wenige oder gar keine eigenen Leute vor Ort und kaufen die notwendigen Abfertigungsleistungen nur ein.“ Easyjet bediene beispielsweise jeweils zwei Flughäfen in Rom und Paris, der Konkurrent Ryanair steuere gleich drei Flughäfen in und um Barcelona an. Lufthansa hat hingegen einen Doppelbetrieb in Tegel und Schönefeld ausgeschlossen.
Der Lufthansa-Konzern könne sich auch um weitere Slots bewerben, die möglicherweise in attraktiveren Tageszeiten liegen als die bereits gesicherten, sagte Schwingeler. Durchaus üblich seien auch Tauschgeschäfte mit anderen Airlines, die sich jeweils einen für sie optimalen Flugplan zusammenstellen wollen.