Luftverkehr:Bitte umsteigen!

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Lufthansa & Co. haben das Konzept des Paketdienstes Fedex übernommen, bei Langstrecken auf Direktflüge zu verzichten.

Von Jens Flottau

Die Idee kam Frederick Smith für eine Seminararbeit. Smith studierte Mitte der Sechzigerjahre Wirtschaftswissenschaften in Yale. Für die Arbeit entwickelte er ein Konzept für einen Kurierdienst. Dabei ging es darum, wie dieser nachts an einem Flughafen die Pakete so umverteilen könnte, dass möglichst viele Sendungen möglichst effizient an ihr Ziel gelangen.

Es gibt wahrscheinlich wenige Seminararbeiten, die später so erfolgreich umgesetzt wurden. 1971 gründete Smith den Paketdienst Fedex. Sein Lebenswerk machte ihn selbst zum Milliardär, und er revolutionierte die Luftfracht. Aber nicht nur das: Seine Idee, Flugzeuge sternförmig von einem Drehkreuz ausschwärmen und dort wieder zurückkehren zu lassen, wurde in den folgenden Jahrzehnten von immer mehr Passagierfluggesellschaften aufgegriffen. Es entstanden die sogenannten Hubs, bei denen sich die Zahl der Umsteigeverbindungen maximieren ließ, und zugleich riesige Flughäfen, weil der Verkehr konzeptbedingt gebündelt werden musste. Die niederländische KLM war die erste Airline, die die Idee nach Fedex erfolgreich übernahm, es folgten Lufthansa, Air France und andere. Erst spät sind die Golf-Airlines Emirates, Etihad und Qatar Airways zu dem Kreis gestoßen, die heute die etablierten Anbieter so in Angst versetzen.

Das Konzept und die Gewichtung der Hubs haben sich aber in den vergangenen Jahren stark verändert. Die europäischen Drehkreuze haben strukturelle Probleme sowohl auf den Kurz- als auch auf den Langstrecken. Etwa die Hälfte des innereuropäischen Verkehrs kontrollieren mittlerweile die Billigfluggesellschaften, die explizit auf Direktverbindungen setzen, Hubs also umfliegen. Sie graben damit den Drehkreuzen die Kundenbasis ab, die klassischen Airlines wie Lufthansa und Air France haben außerdem ein Kostenproblem und können mit den komplexen Drehkreuzen auf den Kurzstrecken kaum noch mithalten. Was die Langstrecken angeht, so sind die neuen Flughafenprojekte vor allem in der Türkei, im Nahen Osten und in Asien eine ernste Bedrohung. Denn sie ziehen Verkehr ab, der bislang zum Teil über die europäischen Airports wie Frankfurt oder Paris geleitet worden ist. Stattdessen steigen Passagiere auf dem Weg von Hamburg oder Berlin nach Singapur nun nicht mehr nur in Frankfurt, sondern auch in Dubai oder Abu Dhabi um.

Gigantische neue Flughäfen sind im Bau, die den dortigen Fluggesellschaften Wachstumsmöglichkeiten eröffnen, von denen die Europäer nur träumen können. Zum Teil ist die Bedrohung für Frankfurt oder München aber deswegen begrenzt, weil restriktive Verkehrsrechtsabkommen mit Deutschland ein allzu starkes Wachstum verhindern. Das gilt vor allem für die Drehkreuze am Persischen Golf, nicht aber für Istanbul, denn zwischen Deutschland und der Türkei gilt das Prinzip der "Open Skies". Und aus China, dem am stärksten wachsenden Luftverkehrsmarkt der Welt, kommen eindeutige Signale, dass die Fluggesellschaften deutlich mehr Verbindungen nach Deutschland anbieten wollen und damit ihre wachsenden Drehkreuze noch besser anbinden.

© SZ vom 30.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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