Luftverkehr:Oberstes Ziel: Marktanteile

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Jens Flottau mag Flugzeuge, aber Fliegen muss nachhaltiger werden. (Foto: Illustration: Bernd Schifferdecker)

Lufthansa steht vor einem Einstieg bei der Alitalia-Nachfolgerin ITA. Dabei sind die bisherigen Erfahrungen mit Übernahmen kein Anlass für Euphorie.

Kommentar von Jens Flottau, Frankfurt

Die Lufthansa ist in den vergangenen Wochen öffentlich dreimal besonders in Erscheinung getreten, einmal unfreiwillig. Aufsehen erregt hat die Ankündigung, sie wolle gemeinsam mit der Reederei MSC die neue italienische Fluggesellschaft ITA Airways kaufen. Zuvor hatte Konzernchef Carsten Spohr die schon aufgeweichten Regeln für Start- und Landezeiten auf großen Flughäfen kritisiert, die die Airlines dazu zwingen, Tausende unwirtschaftliche Flüge durchzuführen. Die Europäische Kommission will trotz Corona-Einbrüchen langsam zum alten System zurückkehren, in dem Fluglinien die Slots zurückgeben müssen, wenn sie diese nicht zu mindestens 80 Prozent nutzen. Und Lufthansa will keine Zubringerflüge für den Konkurrenten Condor mehr anbieten - das Kartellamt stoppt die Pläne allerdings gerade.

Was die Dinge miteinander zu tun haben? Auf den ersten Blick nichts, auf den zweiten jedoch sehr viel. Es geht schon wieder munter um Marktzugang und Marktanteile. Als mit Beginn der Pandemie die alte Ordnung in der Luftfahrt zusammenzubrechen drohte, sorgte die EU-Kommission mit Ausnahmeregeln dafür, dass die Airlines auch dann ihre Slots behalten durften, wenn sie sie nicht nutzten. Der Status Quo war eingefroren, und Airlines wie Lufthansa waren froh, dass Ryanair und Easyjet nicht auf ihre Kosten wachsen konnten. Jetzt will Lufthansa selbst angreifen, und wenn es bedeutet, bei noch einer maroden Fluggesellschaft einzusteigen, dann eben auch das.

Dass die alten Denkmuster sich immer noch halten, ist auch deswegen erstaunlich, weil die Bilanz der Konsolidierung sehr gemischt ausfällt. Die Lufthansa Group ist einer von drei großen Blöcken, die sich in den vergangenen rund 15 Jahren gebildet haben. Die anderen beiden sind Air France-KLM und die British-Airways-Muttergesellschaft International Airlines Group (IAG). Lufthansa hat in dieser Zeit drei Fluggesellschaften dazugekauft: Swiss, Austrian und Brussels Airlines. Alle drei fliegen weiter unter ihrer eigenen Marke und mit eigenem Management, wobei einige wichtige Funktionen in der Gruppe zentral gesteuert werden.

Was die Profitabilität der Töchter angeht, ist nur die Swiss ein Erfolg. Sie hat in den Jahren vor der Pandemie immer eine deutlich höhere Marge als der Konzern oder die Kernmarke Lufthansa erreicht - was einiges darüber aussagt, worauf es wirklich ankommt: Ein stimmiges, stramm durchgezogenes Geschäftsmodell, wettbewerbsfähige Kosten, zahlungskräftige Kunden und - zugegeben - ein vor allzu viel Konkurrenz gut geschütztes Drehkreuz. Austrian und Brussels Airlines sind auch mehr als zehn Jahre nach der Übernahme defizitäre Problemfälle mit schlechten Aussichten. Wien hat sich sogar trotz Lufthansa-Präsenz zum Paradies für Billigflieger entwickelt. Einen gewissen Wert haben die Töchter lediglich als Zubringer für die Langstrecken.

Die Debatte um "Geisterflüge" ist gewagt

Jetzt also steht ITA auf dem Programm, zunächst allerdings nur ein kleiner Anteil, später dann vielleicht mehr. Dass MSC zunächst die Hauptlast tragen will, kommt Lufthansa sehr gelegen. Erst im Oktober mit massiver Staatsfinanzierung als schuldenfreier Nachfolger der notorisch defizitären Alitalia gegründet, verbrennt ITA derzeit pro geflogenem Passagier rund 130 Euro, locker doppelt so viel, wie der Umsatz pro Sitz bei Billig-Anbietern.

Für Lufthansa ist Italien immer schon ein wichtiger Markt, sie holt dort viele Umsteiger für die Drehkreuze in Frankfurt und München, der mögliche ITA-Einstieg soll das absichern. Lufthansa will auch verhindern, dass Konkurrenten wie Air France-KLM oder Delta zugreifen. Doch Italien ist wie Wien in größerem Maßstab: Ryanair und Easyjet beherrschen längst das Geschäft, dazu gibt es gute Hochgeschwindigkeitszüge. Ob ITA mit einem anderen Eigentümer der Lufthansa wirklich so weh tun würde, darf man bezweifeln.

Wie der ITA-Deal ist auch die Debatte um angebliche "Geisterflüge" gewagt. Die Slotregulierung darf nicht missbraucht werden, um künstliche Eintrittshürden zu bauen. Fluggesellschaften haben nämlich in normalen Zeiten auch kein Problem damit, einige Strecken zu fliegen, auf denen sie kein Geld verdienen. Zum Beispiel, um Konkurrenten fernzuhalten. Es soll sogar schon vorgekommen sein, dass sie sich aus diesem Grund bei Fluglinien eingekauft haben und bis heute die Rechnung dafür bezahlen.

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