Lufthansa:"Ich hoffe, wir sind in der letzten Phase der Pandemie"

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Schon wieder erlebt Lufthansa ein Quartal, das schlechte Laune macht. Airline-Chef Spohr glaubt aber, dass es jetzt besser wird - wenn drei Bedingungen erfüllt sind.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Der Blick auf die Verkehrszahlen der vergangenen Woche gibt Lufthansa-Chef Carsten Spohr Hoffnung: Die Zahl der Flüge lag bei 51 Prozent des Vorkrisenniveaus, die Zahl der Passagiere bei 46 Prozent, und Lufthansa bot wieder 84 Prozent der Destinationen an, die noch 2019 im Flugplan standen. Und wenn dann jetzt wirklich auch bald noch die USA den internationalen Luftverkehr für Geimpfte wiedereröffnen, sind die Perspektiven noch besser: "Ich hoffe, wir sind in der letzten Phase der Pandemie", so Spohr.

Die Hälfte des alten Flugprogrammes erreicht die Lufthansa also wieder - und dass das schon als gute Nachricht gilt, zeigt eindrücklich, wie massiv die Lufthansa von der Corona-Pandemie gebeutelt ist und wie fundamental sich das Unternehmen gerade verändert. Mehr als 30 000 der einst etwa 140 000 Mitarbeiter haben den Konzern verlassen. Derzeit sind noch 108 000 übrig und von denen werden voraussichtlich bis Ende 2023 alleine in Deutschland weitere 5000 gehen - freiwillig oder nicht, je nachdem, wie viele sich auf verbindliche Teilzeitmodelle oder Abfindungen einlassen.

Sparten wie das internationale Geschäft der Cateringtochter LSG Sky Chefs, der Finanzdienstleister Lufthansa Airplus und ein Minderheitsanteil an Lufthansa Technik könnten verkauft werden. Auf dem Plan steht weiterhin eine große Kapitalerhöhung, die vielleicht noch vor der Bundestagswahl stattfinden wird, vielleicht aber auch eher danach - je nachdem, wie gravierend die Auswirkungen neuer Coronavirus-Varianten auf den Luftverkehr und die Stimmung an den Finanzmärkten sein werden. Und schließlich: Spohr und sein Finanzchef Remco Steenbergen müssen für das zweite Quartal einen positiven Cashflow als positive Kenngröße hervorheben - ausgerechnet in der Zeit des Jahres, in der normalerweise ein Großteil der Gewinne erflogen wird, also der Profit im Vordergrund stehen sollte, nicht die reinen Geldflüsse. Ein operativer Verlust von fast einer Milliarde Euro steht sinnbildlich für die drei Monate.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr verbreitet Optimismus für die Zukunft. (Foto: ANDREAS GEBERT/Reuters)

Im ersten Halbjahr machte Lufthansa einen Umsatz von 5,7 Milliarden Euro, 30 Prozent weniger als in den ersten sechs Monaten des Jahres 2020, die bis März noch weitgehend normal verliefen. Der Netto-Verlust lag mit 1,8 Milliarden Euro ziemlich genau halb so hoch wie vor einem Jahr.

Und dennoch: Bei Lufthansa wächst die Zuversicht, dass das Schlimmste hinter ihr liegt. Im dritten Quartal soll die Kapazität bei 50 Prozent, im vierten bei 60 Prozent liegen, und für 2022 strebt der Konzern laut Steenbergen 70 Prozent und erstmals wieder einen operativen Gewinn an. Die Erholung wird aber, so Spohr, nur dann so weitergehen, wenn drei Bedingungen erfüllt sind: Die Nachfrage im Privatreiseverkehr muss stark bleiben, die Geschäftsreisenden müssen zurückkehren und die Langstrecken sich langsam wieder öffnen.

Immerhin: Geschäftsreisen mit Lufthansa haben um 220 Prozent zugelegt

Der Sommer ist bei den Privatreisen bislang gut gelaufen. Aber auch bei den Geschäftsreisenden gibt es einen positiven Trend: Laut Spohr sind die Buchungen schon im zweiten Quartal um 220 Prozent gestiegen. Ob sich das verfestigt, ist allerdings die große Frage, die wahrscheinlich erst nach dem Ende der Sommerferien zu beantworten ist.

Für Lufthansa ist entscheidend, ob die USA sich wieder für ausländische Reisende öffnen. Die US-Regierung hat nun einen Stufenplan angekündigt, bei dem vollgeimpfte Passagiere wieder zugelassen werden, aber offengelassen, wann es so weit sein wird. Spohr rechnet nun für die Lufthansa-Planungen damit, dass es Ende September so weit sein wird, und hofft darauf, dass es schneller gehen wird. Schon jetzt dürfen Amerikaner nach Europa reisen, die Nachfrage der Kunden sei "sehr hoch", so Spohr. Zudem sorgen die hohen Preise für Luftfracht dafür, dass Lufthansa viele der Langstrecken aufnehmen und profitabel betreiben kann. Auch auf den Strecken nach Afrika und Lateinamerika sieht das Unternehmen nun eine stärkere Nachfrage. Für Asien, wo die Impfquote noch deutlich unter dem europäischen Niveau liegt, rechnet Spohr allerdings erst Ende des Jahres mit ersten Öffnungen.

Flugbegleiter und Piloten mussten oft am Boden bleiben. Die Zahl der Lufthansa-Flüge lag zuletzt bei 51 Prozent des Vor-Corona-Niveaus. (Foto: Andreas Arnold/dpa)

Dass Lufthansa langsam wieder mehr Flugzeuge besser füllen kann, ist das eine. Andererseits kommt sie beim Sanierungsprogramm offenbar besser voran, als sie selbst gedacht hat. Bis 2024 hat sie sich Einsparungen von 3,4 Milliarden Euro und eine operative Gewinnmarge von acht Prozent vorgenommen. 62 Prozent der Einsparungen beim Personal - insgesamt 1,8 Milliarden Euro - sind schon fix, ebenso 59 Prozent der Kürzungen in anderen Bereichen, die am Ende 1,7 Milliarden Euro erreichen sollen.

Spohr gab sich optimistisch, dass betriebsbedingte Kündigungen zumindest beim Bodenpersonal und bei den Flugbegleitern vermieden werden können. Für die soll es im Herbst ein neues Programm für freiwillige Abschiede geben. Kompliziert ist die Lage weiterhin bei den Piloten der Kernmarke Lufthansa. Das Unternehmen hofft, dass rund 400 von ihnen Abfindungsangebote annehmen werden und der Rest sich auf verbindliche Teilzeit einlässt. Denn immer noch hat die Airline viel zu viele Piloten für das aktuelle Programm.

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