Luftfahrt:Lufthansa-Aufsichtsrat streitet über Vorstandsboni

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Die Lufthansa will trotz milliardenschwerer Staatshilfen in der Corona-Pandemie womöglich doch Boni an ihre Vorstände zahlen. (Foto: Andreas Arnold/dpa)

2021 war die Fluggesellschaft wegen der Corona-Pandemie teilweise im Staatsbesitz und hat variable Gehälter für die Konzernspitze gestrichen. Nun sollen die Vorstände vielleicht doch Prämien bekommen.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Eigentlich schien die Angelegenheit klar geregelt zu sein. So lange Lufthansa teilweise im Staatsbesitz ist, bekommen die Vorstände der größten deutschen Fluggesellschaft keine variable Vergütung. Doch nun hat der Aufsichtsrat des Konzerns bei seiner jüngsten Sitzung gegen den Willen einiger Arbeitnehmervertreter eine andere Regelung beschlossen, durch die Vorstandschef Carsten Spohr und seine Kollegen womöglich doch noch Boni für diese Phase erhalten könnten. Es geht um bis zu 4,2 Millionen Euro für Spohr und 2,2 Millionen für die einfachen Vorstandsmitglieder.

Der Bund war Mitte 2020 bei Lufthansa eingestiegen, als die Luftfahrt zeitweise praktisch vollständig am Boden war und das Unternehmen ohne staatliche Zusagen auch keinen Zugang mehr zum Kapitalmarkt hatte. Der Staat hatte für etwa 300 Millionen Euro einen Anteil von 20 Prozent gekauft und Hilfen in Höhe von bis zu neun Milliarden Euro bereitgestellt, die Lufthansa aber nicht vollständig in Anspruch nahm. Alle Hilfen sind mittlerweile mit vergleichsweise hohen Zinsen zurückgezahlt. Und als der Bund im September 2022 seine letzten Anteil abgestoßen hatte, machte er alleine damit einen Gewinn von insgesamt mehr als 700 Millionen Euro. So weit, so unstrittig.

Spohr war im Jahr 2019 auf ein Gehalt von rund 4,9 Millionen Euro gekommen, inklusive variabler Vergütung, die er damals auf der Basis der sehr profitablen Jahre zuvor ausgezahlt bekam. 2021 verdiente er noch etwas weniger als ein Drittel, nämlich gut 1,6 Millionen Euro, weil der Bund für seinen Einstieg unter anderem den Wegfall der Boni zur Bedingung machte. Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley wollte Spohr und seine Vorstandskollegen nun offenbar trotzdem belohnen, denn nach der gelungenen Rettung schreibt das Unternehmen mittlerweile wieder schwarze Zahlen - für 2022 erwartet Lufthansa einen bereinigten operativen Gewinn von rund 1,5 Milliarden Euro. Die Bezahlung des Vorstands wird der Lufthansa zufolge aber in diesem Jahr immer noch knapp 60 Prozent unter dem Niveau von 2019 liegen, 2023 noch bei etwa minus 35 Prozent.

Im Aufsichtsrat hat es offenbar wegen der Kley-Pläne schon länger Konflikte gegeben. Das Gremium beauftragte daher eine Anwaltskanzlei damit, zu prüfen, ob die sogenannte mehrjährige variable Vergütung jetzt rückwirkend für 2021 eingeführt werden kann. Das Gutachten kam Lufthansa zufolge zu dem Ergebnis, dass das Vorgehen Kleys rechtlich nicht zu beanstanden sei. Der potentielle Bonus selbst sei auch nicht rückwirkend, er werde erst 2025 ausgezahlt. Die Arbeitnehmerseite sieht dies in weiten Teilen anders.

Die Piloten haben 2021 bis zu rund 40 Prozent weniger verdient

Auch wenn das Vorgehen rechtlich nicht zu beanstanden ist, bleibt die Frage, wie geschickt es ist, wenige Monate nach dem Ausstieg des Staates eine Regelung zu erfinden, die zumindest im Widerspruch zum Geist der Rettungsaktion zu stehen scheint. Die Boni erst für 2022 wieder zurückzubringen, wäre unbedenklich gewesen, allerdings hätte das bedeutet, dass sie erst 2026 ausgezahlt worden wären.

Lufthansa hatte 2019 das Vergütungssystem für den Vorstand neu geregelt. Demnach macht das Grundgehalt 34 Prozent aus, die sogenannte einjährige variable Vergütung 23 Prozent und die mehrjährige variable Vergütung 43 Prozent. Um dieses letzte Element geht es bei der Auseinandersetzung. Der Langfristbonus ist bei der Lufthansa auf vier Jahre angelegt. Er beinhaltet Finanzziele, aber auch Kriterien wie die Zufriedenheit der Mitarbeiter und Nachhaltigkeit (15 Prozent). Erreicht das Unternehmen seine Ziele zu 100 Prozent, erhält Spohr nach vier Jahren 2,09 Millionen Euro extra, die einfachen Vorstände jeweils 1,1 Millionen. Beim jeweils Doppelten sind die Boni gedeckelt.

Lufthansa verweist darauf, dass Spohr und dessen Kollegen schon auf der Basis von 2019 keinen Langfristbonus erhalten werden, weil danach die Pandemie jedes zuvor festgelegte Ziel unerreichbar gemacht habe. Es sei auch noch gar nicht klar, ob, und falls ja, wieviel die Vorstände ab 2025 von der Kleyschen Idee profitieren werden, denn dies hänge vom Geschäftsverlauf der nächsten Jahre ab. Es kann theoretisch auch sein, dass sie leer ausgehen.

In der Krise haben unterschiedliche Mitarbeitergruppen bei der Lufthansa unterschiedlich starke Einbußen hinnehmen müssen. Einer Aufstellung zufolge haben die Piloten vor allem wegen der Kurzarbeit und fehlender Überstunden 2021 bis zu rund 40 Prozent weniger verdient, 2022 werden sie bei etwa minus 17 Prozent herauskommen. Die erste Führungsebene unterhalb des Vorstandes arbeitete 2021 und 2022 für die Hälfte ihres normalen Gehalts und wird wie alle anderen Mitarbeiter außer dem Vorstand im kommenden Jahr wegen Tariferhöhungen und der Rückkehr der Boni voraussichtlich erstmals mehr verdienen als 2019.

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