Luftfahrt:Der Hintern hebt ab

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  • 92 Meter lang und damit 18 Meter länger als ein Airbus A380: Der sogenannte Airlander ist das größte Luftschiff der Welt.
  • Die Luftfahrtbranche schaut auf das Experiment. Die Frage ist: Könnten Zeppeline doch kommerziell erfolgreich werden?

Von Max Hägler, München

Sie machen gar keinen Hehl daraus in der Flugwerft in Cardington, dass ihr Produkt etwas eigenartig aussieht. Wie ein, na ja, Hintern. "Flying Bum" haben es die Konstrukteure in England konsequenterweise getauft, fliegender Hintern. Und dieses Gebilde hat nun seinen ersten öffentlichen Testflug absolviert. In dieser Woche kreuzte es nördlich von London übers Land, für 20 Minuten immerhin. Ein Ungetüm, so kann man wohl sagen: 92 Meter lang, damit 18 Meter länger als ein Airbus A380, und 42 Meter breit - der sogenannte Airlander schiebt sich mit bis zu 150 Kilometer pro Stunde durch die Luft, zehn Tonnen Güter soll er tragen und dabei tagelang oben bleiben können.

Aufmerksam blickt die Luftfahrtbranche auf das Projekt der Firma Hybrid Air Vehicles, das einst durch viele Millionen Dollar des US-Verteidigungsministeriums seinen Lauf nahm. Als das Militär im Jahr 2013 sein Budget zusammenstrich, kauften die Entwickler kurzerhand Pläne und Entwürfe ab, sammelten einige Fördermillionen von der EU und der britischen Regierung ein - und konstruierten weiter. Weil es zu funktionieren scheint, stellt sich immer dringlicher die Frage: Könnten Luftschiffe nun doch endlich kommerziell erfolgreich werden - als Alternative zu Hubschraubern und Flugzeugen? Große Maschinen ließen sich so leichter transportiert werden, Hilfsgüter könnten in entlegene Gebiete Afrikas gebracht werden oder Material zu Ölförderanlagen in Alaska. Eine weitere Idee: Safaris aus der Luft - Tiere betrachten aus der langsam dahin gleitenden Luxuskabine. Die Allianz, die das Projekt versichert, ist jedenfalls begeistert. Sie sieht einen Bedarf für 500 solcher neuartigen Luftschiffe in den kommenden zwei Jahrzehnten, bei einem Auftragsvolumen von über 40 Milliarden Euro. Bekannt ist die weiterhin zugrunde liegende "Leichter-als-Luft"- Technik seit Jahrzehnten, vor allem als eine Geschichte des Scheiterns. Das Prinzip ist simpel: Man fülle ein Gas, das leichter als Luft ist, in einen großen Behälter, dann steigt er auf. Wasserstoff zum Beispiel, das hat aber einen großen Nachteil: Es brennt.

Der Moment, als der Zeppelin Hindenburg am 6. Mai 1937 in Lakehurst nahe New York nach einer Überquerung des Atlantiks in Flammen aufging, hat einen festen Platz in den Geschichtsbüchern. Dieses Unglück und die technisch zunehmend reiferen Flugzeuge trugen dazu bei, dass sich Luftschiffe nie richtig durchsetzen konnten.

Mittlerweile verwenden die meisten Entwickler von Luftschiffen - drei, vier relevante gibt es auf der Welt - das unbrennbare, aber teure Helium als Gas. Die kleine Zeppelin-Werft, die immer noch existiert in Friedrichshafen am Bodensee, wo alles seinen Lauf nahm und seinen Namen bekam, hat einige heliumgefüllte Zeppeline im Angebot, vor allem für Werbezwecke.

Auch der Bauch des Cargolifters war damit gefüllt vor 15 Jahren - und trotzdem scheiterte auch dieses Projekt. Immerhin, kein tödliches Drama, es ging schlicht nur das Geld aus bei der Entwicklung. 300 Millionen Euro hatte der flugbegeisterte Carl-Heinrich Freiherr von Gablenz von Aktionären eingesammelt, um in Deutschland ein riesiges Luftfrachtschiff zu konstruieren, das einmal 160 Tonnen hätte tragen sollen.

Eine Halle hatten sie dafür schon gebaut, von gigantischem Ausmaß, in Brandenburg: 360 auf 200 Meter, das größte freitragende Gebilde der Welt. Das dann doch nie richtig zum Einsatz kam. Die Konstruktion des Cargolifters wurde zunehmen komplizierter, nach den Anschlägen vom 11. September 2001 war vielen die Lust auf Luftverkehr vergangen und auch diese Halle trug ihren Teil zum Scheitern bei: Sie ist zwar ein Meisterwerk, aber ein sehr teures. Heute planschen dort Menschen herum, schlürfen Cocktails und legen sich unter Palmen: Die ehemalige Luftschiffwerft heißt nun Tropical Island, ist ein künstliches Urlaubsparadies.

Gescheitert ist das Projekt damals auch an einem physikalischen Grundproblem: Die Zeppeline schweben fein austariert in der Luft; lädt einer nun plötzlich Last ab, würde das plötzlich viel leichter gewordene Luftschiff Richtung Weltall davonsausen, so wie ein Heliumballon vom Jahrmarkt, den man aus der Hand lässt.

Die Technik ist jetzt anders als beim "Cargolifter"

Um das zu verhindern, braucht es einen Lastausgleich; der Cargolifter wollte die Ladelast durch Wasser ersetzen, während das Luftschiff an einer Bodenstation festgezurrt ist. Ein aufwendiges Verfahren, das auch Investoren und Kunden abschreckte.

Die Briten setzen nun teils auf eine andere Technik, wie sie sich überhaupt absetzen vom Cargolifter. Der Airlander sei mehr Flugzeug als Luftschiff, sagen die Briten, entsprechend könne man das Gefährt gar nicht mit dem deutschen Projekt vergleichen. Hier kommt wiederum der Bum ins Spiel, dieses Design wie ein Hintern: Es sind zwei Röhren nebeneinander gebaut, aus dreilagigem, drei Millimeter dickem Karbonfasertextil bestehen sie, und wenn nun eine gewisse Geschwindigkeit erreicht ist, bringt diese Form des Rumpfes Auftrieb, wie bei einem Flugzeugflügel. Das leichte Helium ist so nur noch für 60 Prozent des Auftriebs verantwortlich: Über ein ganz kurze Lande- und Startbahn kommt das Teil in die Luft, beziehungsweise an den Boden. Deswegen ist es eben ein Hybridluftschiff, eine Mischung aus Zeppelin und Flugzeug. Eine "bahnbrechende Technologie", nennt das Craig Armitage, Luftfahrtexperte der Allianz. Die großen Flugzeugkonzerne Lockheed und Airbus forschen ebenfalls daran. Und auch einen der berühmtesten Piloten der Welt überzeugt das Projekt: Bruce Dickinson, hauptberuflich Sänger der Heavy-Metal-Band Iron Maiden, hat investiert in die britische Firma. Er will mit dem Airlander von Pol zu Pol fliegen.

© SZ vom 19.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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