Luftfahrt:Air Berlin wechselt den Kurs

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Die angeschlagene Fluggesellschaft will nun doch keine Bürgschaft beantragen. Die Lufthansa hat dabei geholfen, die Kosten zu senken. Ob Air Berlin überlebt, hängt aber vor allem vom Großaktionär Etihad ab.

Von Jens Flottau und  Jens Schneider, Paris/Berlin

Noch bei der Hauptversammlung in der vergangenen Woche klang die Sache ganz anders. Man bereite Anträge für staatliche Bürgschaften vor, erzählte dort Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann den besorgten Aktionären. Dies sei angeraten im Sinne einer "vorausschauenden Unternehmensführung", erklärte der Vorstand der angeschlagenen Fluglinie. Nur wenige Tage später kam nun die Kehrtwendung: Air Berlin habe nur eine Voranfrage gestellt und keinen formalen Antrag, außerdem sei "eine Absicherung von Krediten über eine Staatsbürgschaft schlichtweg nicht mehr nötig".

Die offizielle Begründung für den Kurswechsel ist die folgende: Es gebe gute Fortschritte bei der Restrukturierung von Air Berlin, die Leasing- und Vertriebskosten konnten erheblich gesenkt werden. Doch in Branchenkreisen heißt es, der Verzicht auf die Bürgschaften erfolge nicht freiwillig. Air Berlin habe aus der Politik in Berlin und Nordrhein-Westfalen so eindeutig negative Signale empfangen, was die Genehmigungschancen angeht, dass Winkelmann lieber noch einigermaßen gesichtswahrend aktiv aus der Nummer herauskommen wolle, bevor ein offizielles Nein das Unternehmen in eine noch größere Krise gestürzt hätte: Wenn schon der Staat kein Geld mehr zur Verfügung stellt für eine Rettungsaktion, welche Hoffnung würde dann noch bestehen?

Aus Berliner Senatskreisen hieß es am Mittwoch, dass der Rückzieher überraschend kam. Die Prüfungen sollten dem Vernehmen nach erst beginnen. Es habe eben erst die Anfrage von Air Berlin gegeben, darüber hinaus aber keine weiteren Auskünfte oder Angaben der Fluglinie. Demnach wäre es wohl auch zu früh gewesen, um eine grundsätzliche Skepsis konkret zur Zukunft des Unternehmens zu entwickeln. Denn dafür hätte man Unterlagen kennen und die Lage erst noch einschätzen müssen. Euphorisch reagierte die Politik definitiv nicht. Aus Nordrhein-Westfalen hatte der FDP-Bundesvorsitzenden Christian Lindner bereits im Vorfeld der Prüfung Vorbehalte gegen eine Bürgschaft des Landes geäußert.

Air Berlin steckt mitten in einem dramatischen Überlebenskampf. Knapp 800 Millionen hat die Airline 2016 verloren, knapp 300 Millionen im ersten Quartal, das Eigenkapital ist mit rund 1,7 Milliarden Euro negativ, die Schulden liegen bei 1,2 Milliarden, und die Airline fliegt nur deswegen noch, weil Etihad die Tochtergesellschaft Niki für 300 Millionen übernommen hat und gleichzeitig Kredite für weitere 350 Millionen Euro organisierte.

Doch trotz der Kostensenkungen hat Winkelmann bereits öffentlich deutlich gemacht, dass das Unternehmen vor Jahresende neue Investoren braucht - sprich: frisches Geld. Im Frühsommer kommt bei den Airlines viel Geld über die Buchungen für den Sommer hinein, doch spätestens im August kippt die Situation in der Branche wieder: Die vielen Flüge werden durchgeführt und kosten Geld, gleichzeitig buchen die Passagiere für den Herbst und Winter weniger neue Flüge, die Saure-Gurken-Zeit endet erst wieder im Frühjahr.

Vor allem die Lufthansa hat dem angeschlagenen Konzern dabei geholfen, die Kosten zu senken

Die offizielle Begründung für die Absage der Staatsbürgschaften ist allerdings nicht völlig von der Hand zu weisen. Tatsächlich hat vor allem die Lufthansa stark dabei geholfen, die Flugzeugkosten von Air Berlin zu senken - sie ist in zahlreiche Leasingverträge direkt eingestiegen und hat sogar Maschinen gekauft. Damit kann Air Berlin die 38 Maschinen zu günstigeren Bedingungen für Lufthansa betreiben - von dem Geschäft profitieren also beide Seiten. Ebenso klar ist indes, dass die Sanierungsschritte alleine Air Berlin nicht retten werden, schließlich geht es nur um einen zweistelligen Millionenbetrag, der in den genannten Bereichen bislang für 2018 eingespart wurde. Staatsbürgschaften hin oder her - am Ende hängt alles weiterhin daran, ob Etihad Airways, die 29,2 Prozent an Air Berlin hält, zur Zusage steht, die nächsten 18 Monate durchzufinanzieren. Doch die künftige Strategie ist weiterhin unklar, schließlich hat Etihad nach der Entmachtung von James Hogan immer noch keinen neuen Konzernchef ernannt.

Aus der Politik gibt es aufmunternde Worte. Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) begrüßte die vom Konzern eingeleiteten Maßnahmen zur Restrukturierung. Air Berlin müsse seinen strukturellen Umbau nun "konsequent vorantreiben", sagte sie am Mittwoch. Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) sagte: "Wenn Air Berlin erste Konsolidierungserfolge sieht, ist das ein gutes Zeichen."

© SZ vom 22.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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