Leitzins bleibt niedrig:EZB verstößt gegen eigenes Prinzip

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Inflation? Egal. Die Europäische Zentralbank belässt den Leitzins vorerst bei 1,25 Prozent. Ihr Chef Jean-Claude Trichet vermeidet auch ein Signal, dass sich das bald ändern könnte. Die Finanzmärkte reagieren sofort.

Die Europäische Zentralbank ist in der Zwickmühle: Die Inflationsrate steigt deutlich an - das erfordert höhere Zinsen, zumal sich die Institution eigentlich als Hüter der Preisstabilität versteht. Doch die Schuldenberge klammer Euro-Staaten verhindern einen allzu schnellen Ausstieg aus der Politik des extrem billigen Geldes.

Die EZB erhöht die Leitzinsen nicht. (Foto: dpa)

Nun haben sich die Währungshüter entschieden - gegen ihr Prinzip, bei einer Inflationsrate, die bei mehr als zwei Prozent liegt, die Leitzinsen anzuheben. Stattdessen legen sie eine Zinspause ein, der Leitzins im Euro-Raum bleibt vorerst bei 1,25 Prozent, wie die EZB mitteilte.

EZB-Chef Jean-Claude Trichet sagte nach der Ratssitzung in Helsinki zwar, die Währungshüter würden alle Entwicklungen "sehr genau" beobachten. Er verwendete in seinen Anfangsbemerkungen auf der üblichen Pressekonferenz aber nicht die Formulierung "große Wachsamkeit". Diese Worten gelten an den Finanzmärkten als Signal, dass die Notenbanker die Geldpolitik im folgenden Monat straffen.

Diese Aussagen drückten den Euro sofort. Die Gemeinschaftswährung verbilligte sich binnen weniger Minuten um gut einen US-Cent auf bis zu 1,4711 Dollar, den tiefsten Stand seit gut einer Woche - und fiel dann sogar weiter auf 1,46 Dollar. "Trichet hat gesagt, die Leitzinsen bleiben niedrig. Das hat diejenigen enttäuscht, die von der EZB-Pressekonferenz ein Signal für eine weitere Zinserhöhung erwartet hatten", sagte ein Devisenhändler. "Ganz verstehe ich die Marktreaktion allerdings nicht, auch ein Leitzins von 1,50 Prozent wäre noch niedrig."

Im April hatten die Währungshüter den wichtigsten Zins zur Versorgung der Geschäftsbanken im Euro-Raum mit Zentralbankgeld erstmals seit fast genau zwei Jahren leicht angehoben. Auch die prekäre Haushaltslage in Portugal waren am Vormittag Thema der Beratungen im EZB-Rat. Die Währungshüter trafen sich ausgerechnet in Finnland - dem Land, von dem Beobachter glauben, es könnte nach dem Wahlerfolg der nationalistischen Partei "Wahre Finnen" die Milliardenhilfen für Portugal stoppen.

Die Inflation zog zuletzt weiter an und erreichte im April im Euro-Raum 2,8 Prozent. Sie entfernte sich damit noch weiter vom Zielwert der Notenbank von knapp unter zwei Prozent. Angesichts der steigenden Preise und der guten Konjunktur ist es nach Ansicht von Experten nur eine Frage der Zeit, wann die EZB erneut an der Zinsschraube dreht.

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters/aum - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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