Es erscheint widersinnig: Da gibt es zwei Meldungen an einem Tag, die nicht zusammen passen. Nachricht Nummer eins: Die Bundesregierung befürchtet eine drastische Zunahme der Altersarmut und will deswegen eine Kommission einsetzen. Mitteilung Nummer zwei: Der Chef des weltgrößten Rückversicherers Munich Re, Nikolaus von Bomhard, zweifelt am Produkt der Lebensversicherungen aus Anbietersicht. Ökonomisch betrachtet sei dieses Segment nicht sehr ertragreich, sagte Nikolaus von Bomhard der Financial Times Deutschland.
Deshalb halte er es auch nicht für problematisch, dass die Tochtergesellschaft Ergo in diesem Bereich Marktanteile verliere. Von Bomhard deutete an, dass sich die Schwerpunkte bei Ergo langfristig verschieben könnten. Weil die Ertragskraft der Lebensversicherungssparte problematisch sei, "muss man sich sehr genau überlegen, wo man wächst".
Lebensversicherungen sind eine der wichtigsten Stützen der Altersvorsorge in Deutschland. Es gibt kaum einen Deutschen, der nicht mindestens eine Police besäße: Etwa 91 Millionen Verträge gibt es hierzulande.
Allerdings sind die Zweifel an diesem Instrument gegen Altersarmut nicht nur bei Anbietern wie dem Munich-Re-Chef gewachsen, auch bei der Kundschaft hat die Lebensversicherung an Attraktivität verloren: Immer weniger neue Verträge werden abgeschlossen, immer mehr alte frühzeitig gekündigt. Die Stornoquote lag im vergangenen Jahr bei 6,17 Prozent - so hoch wie nie zuvor. Was ist geschehen?
Kaum noch lohnenswert
"Vielen fällt es wegen der Finanzkrise zunehmend schwer, den Beitrag für ihre Lebensversicherung vom Gehalt abzuknapsen", sagt Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg. Da ist der Maschinenbauer, der seinen Job verloren hat. Oder die Ingenieurin, die monatelang kurzarbeiten musste und plötzlich nur noch einen Bruchteil des gewohnten Einkommens überwiesen bekommt. "Diese Menschen können die rund 1000 Euro, die sie jährlich für ihre Lebensversicherung ausgegeben haben, nicht mehr stemmen", so Castelló.
Es gibt aber noch einen weiteren Grund, warum sich die Deutschen von Lebensversicherungen als Geldanlage abwenden. Sie lohnen sich kaum noch, finden viele. Eine Beispielrechnung macht das deutlich: Ein Mann, Nichtraucher, beginnt im Alter von 30 jährlich 1200 Euro in seine Kapitallebensversicherung einzuzahlen und hält das 30 Jahre lang durch. 103.900 Euro bekam er noch im Jahr 2000 dafür ausgezahlt. Zehn Jahre später sind es bei gleicher Vertragskonstellation nur noch 86.600 Euro (bitte auf die Grafik klicken) - das sind 17.300 Euro, die ihm im Alter fehlen.
"Die Auszahlungshöhe wird in Zukunft noch weiter abnehmen" sagt Manfred Poweleit, Chef des Branchendienstes Map-Report. Grund dafür sei die Niedrigzinspolitik, die seit Ausbruch der Finanzkrise von den Notenbanken noch konsequenter verfolgt wird als zuvor.
Verlust ausgeschlossen
Der langfristige Kapitalmarktzins seit 1955 liegt bei 6,57 Prozent. Aber dieser Wert wurde seit Mitte der neunziger Jahre nicht mehr erreicht. Im Moment liegt die Umlaufrendite festverzinslicher Wertpapiere, die den größten Anlageanteil von Versicherungen ausmachen, bei nicht einmal drei Prozent. Die Unternehmen passen ihre Auszahlung daher immer weiter nach unten an. "Die aktuelle Verzinsung ist der schlechteste Wert seit Beginn unserer Aufzeichnungen", sagt Poweleit, der seit dem Jahr 1995 Daten von Lebensversicherungen analysiert.
Dennoch haben Lebensversicherungen im Vergleich zu Aktien oder Fonds einen klaren Vorteil: Der Anleger geht kein Risiko ein, sein Geld zu verlieren - zumindest, wenn er die vereinbarte Vertragslaufzeit durchhält. "Reich wird ein Anleger durch seine Lebensversicherung zwar nicht", sagt Experte Poweleit. Schlimmstenfalls müsse er einen geringeren Vermögenszuwachs verkraften, ein Verlust sei aber ausgeschlossen. Und das ist doch auch schon etwas, in Zeiten wie diesen.