Lebensmittelsicherheit:Weniger Kontrolle, trotz Wurstskandal

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In Gastronomie- und Lebensmittelbetrieben könnten die Kontrolleure künftig noch seltener vorbei kommen. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Trotz des Keimskandals bei Wilke will das Landwirtschaftsministerium die Kontrollintervalle verlängern.

Von Helena Ott, München

Der Eindruck entsteht, man habe sich verlesen. Gerade jetzt, nachdem im Oktober publik wurde, dass verseuchte Wurst von Wilke in Umlauf gekommen war, will Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner die Kontrollintervalle bei Lebensmitteln verlängern? Tatsächlich sollen Routinekontrollen künftig seltener stattfinden, das geht aus einem Referentenentwurf des Landwirtschaftsministerium hervor, welcher der SZ vorliegt. Zuerst hatten die Zeitung Die Welt und der bayerische Rundfunk darüber berichtet.

Betriebe, die bisher vierteljährlich kontrolliert wurden, könnten durch die geplante Neuregelung nur noch halbjährlich und monatlich kontrollierte Hersteller nur noch alle Vierteljahr überprüft werden. Davor warnt Anja Tittes, Bundesvorsitzende des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure. Eine Sprecherin des Landwirtschaftsministeriums bestreitet jedoch die Auffassung, dass es durch die Neufassung der Verwaltungsvorschrift wenigerKontrollen geben soll. Ziel sei, Unternehmen mit einem höheren Risiko für Gesundheitsgefahren häufiger zu kontrollieren. Ständige Kontrolle von unauffälligeren Betriebe dagegen hält man im Landwirtschaftsministerium für wenig sinnvoll.

Das gehe aus dem Entwurf aber nicht hervor, sagt Jutta Jaksche, Referentin für Lebensmittel im Verbraucherzentrale Bundesverband. "Jeder, der die Verwaltungsvorschrift vorher und nachher nebeneinanderlegt, kommt nur auf eine Verlängerung der Kontrollintervalle", sagt Jaksche. Für sie sei nicht nachvollziehbar, was sich in der Lebensmittelkontrolle mit der neuen Verwaltungsvorschrift verbessern würde. Die Verbraucherschützerin befürchtet, dass manche Länder um zu sparen, versucht sein könnten, durch die Verlängerung der Kontrollintervalle noch weniger Personal für die Betriebsprüfungen einzusetzen.

In Deutschland sind drei Menschen in Folge einer Listerieninfektion gestorben. Als Ursache gilt der Verzehr von Wilke- Wurst. Weitere 37 Krankheitsfälle führt das Robert-Koch Institut ebenfalls auf die Listerienfunde im nordhessischen Wurstbetrieb zurück. Die Herstellung ist mittlerweile geschlossen und Wilke insolvent.

Die Neufassung der Verwaltungsvorschrift wird derzeit mit den Ländern beraten, sie soll Mitte 2020 in Kraft treten.

Ein Bericht des EU-Verbraucherverbandes BEUC von 2017 zeigt, dass sich die Lebensmittelkontrollen in Deutschland in den letzten zehn Jahren um 20 Prozent verringert haben. Obwohl die Zahl der Betriebe in etwa konstant geblieben sei. 225 000 Kontrollen weniger hätten im Vergleich zu 2007 in der Lebensmittelbranche stattgefunden. "Sogar Produkte, die leicht zu Lebensmittelvergiftungen führen wie Fleisch, Eier und Milchprodukte, werden immer seltener kontrolliert", sagte Monique Goyens vom EU-Verbraucherverband dem Spiegel.

Die Routinekontrollen sind keineswegs nutzlose Rituale: Aus dem jährlichen Bericht des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit geht hervor, dass bei jeder vierten Kontrolle Mängel in der Kennzeichnung von Produkten oder sogar im Herstellungsprozess gefunden werden

© SZ vom 27.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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