Leben in Griechenland:"Wir brauchen eine neue Regierung"

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Christos Kontovasilis will keine neue Währung, sondern eine neue Regierung. (Foto: N/A)

Mitten in der Krise gibt es noch dieses andere Griechenland, das Sonnendeck-Griechenland. Christos Kontovasilis hat Arbeit, Geld - und eine klare Meinung.

Porträt von Mike Szymanski, Athen

Der Euro? "Muss bleiben", sagt Christos Kontovasilis. Die Währung bedeutete für ihn von Anfang an Aufbruch, gar nicht einmal im übertragenen Sinn. Von seinen ersten Münzen hat er sein Auto aufgetankt. "Wir waren sehr stolz", sagt er. Und dann erzählt er noch diese Geschichte: Eigentlich hätte in den ersten Tagen niemand so richtig mit dem neuen Geld umgehen können.

Für 340 Drachmen bekam man einen Euro. Ein Euro war sehr viel Geld, auch wenn sich die Münze nicht so anfühlte. Für fünf Euro bekam man schon ein schönes Essen in der Taverne, erzählt Kontovasilis. Als es dann ans Zahlen ging, tauchte die Frage auf: Wie viel Geld legt man als Trinkgeld hin? 50 Cent? Er öffnet die Arme: "Wir Griechen sind ja auch immer ein bisschen Angeber. Gerade wenn Frauen mit am Tisch sitzen." Und so gingen die ersten Euro schnell weg - schon allein fürs großzügige Trinkgeld.

Er lacht, als er dies erzählt. Jetzt, wo so viel über das mögliche Ende des Euro in Griechenland spekuliert wird, ist ein guter Zeitpunkt, doch auch einmal über den Anfang zu reden.

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Wer noch Geld hat, investiert - etwa in Yachten

Ein Yachthafen an der Küste Athens. Hier teilen sich Christos Kontovasilis, 40, und Yannis Alexiadis, 75, ein Büro. Sie sind mehr als Geschäftspartner. Sie kennen sich seit Ewigkeiten. Alexiadis verkauft Yachten und Kontovasilis die Versicherungen dazu. Sie tragen kurze Hosen, Freizeithemden und würden sofort als Skipper durchgehen. Aber ihre Arbeit erledigen sie an Land.

Es gibt auch noch dieses andere Griechenland, das Sonnendeck-Griechenland. Die Geschäfte liefen nicht schlecht, erzählen die beiden. Weil die Leute den Banken schon lange nicht mehr vertrauten, seien Yachten ein gefragtes Investment für jene, die eben noch Geld haben.

Aber seit ein paar Tagen sind auch Kontovasilis und Alexiadis unruhig. Die Banken sind geschlossen. An den Automaten bilden sich lange Schlangen. Die Geräte spucken für jeden nur noch 60 Euro aus. Und das Geld wird knapp. Fünf Jahre Krise, viel gespart. "Wir hatten gedacht, wir sehen endlich mal Licht am Ende des Tunnels. Und nun das", sagt Alexiadis. Im Moment kann er auch keine Yachten verkaufen, weil er das Geld nicht zu den Werften ins Ausland transferieren kann. "Lange hält das Land das nicht durch."

"Vielleicht war Griechenland zu schwach für den Euro"

Beide sind sich sicher: Griechenland war noch nicht reif für den Euro. Das Land hatte seine Zahlen geschönt, um dabei zu sein. Fragt man die beiden Geschäftsleute, dann wollte Europa ihrer Meinung nach auch gar nicht so genau hinschauen. "Es ist immer viel Geld aus der EU nach Griechenland geflossen. Aber alle Regierungen haben es ausgegeben, um sich bei ihren Wählern beliebt zu machen. Es wussten doch alle in Europa, dass Griechenland ein schwaches Land ist. Vielleicht zu schwach für den Euro."

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Von Bastian Brinkmann

Bevor Alexiadis ins Yachtgeschäft eingestiegen ist, hat er in Griechenland Computer verkauft. Zu der Zeit war EDV noch etwas sehr Neues. In Deutschland hatte Alexiadis gelernt, wie man Behörden damit aufrüstet. Als er in der Heimat Geschäfte machen wollte, schickten ihn die Behörden wieder nach Hause, weil niemand wollte, dass Computer Menschen ersetzen. Noch jede Regierung hatte sich den Beamtenapparat zur Beute gemacht und die Anhängerschaft dort mit sicheren Jobs belohnt. So sei aus Griechenland ein Beamtenland geworden, schwerfällig und reformunwillig. All dies hätte vor der Einführung des Euro in Ordnung gebracht werden müssen. "Nicht erst jetzt", sagt Alexiadis.

War der Euro von Anfang an womöglich ein Fehler für Griechenland? Nein, sagen die beiden Männer. Kontovasilis hat auf dem Syntagma, dem Platz vor dem Parlament, mit Tausenden anderen für den Verbleib im Euro demonstriert. "Wir brauchen keine neue Währung", sagt er. "Wir brauchen eine neue Regierung."

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