Landwirtschaft:Gift in der Koalition

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Glyphosat kommt in der Regel nach der Ernte respektive vor der Aussaat bei der Unkrautbekämpfung zum Einsatz. (Foto: Steven Lüdtke/dpa)

In der Bundesregierung ist der Streit um das Pflanzenschutzmittel Glyphosat neu entbrannt. Weil sich die Minister nicht einig werden, könnte am Ende die Neuzulassung des Pestizids in ganz Europa platzen.

Von Markus Balser und Michael Bauchmüller, Berlin

In der Bundesregierung bahnt sich neuer Streit um das Pflanzenschutzmittel Glyphosat an. Hintergrund ist ein Vorstoß der EU-Kommission. Sie will das umstrittene Pestizid für weitere zehn Jahre genehmigen. Doch anders als geplant, sind potenzielle Schäden für die Artenvielfalt in einer neuen Vorlage aus Brüssel nicht thematisiert. Eine entsprechende Passage hatte aber das Bundesumweltministerium zur Bedingung für seine Zustimmung gemacht.

Postwendend meldete sich deshalb am Donnerstag die zuständige Ministerin zu Wort: "Die Kommission hat nichts dazugelernt", teilte Barbara Hendricks (SPD) über die Bild-Zeitung mit. Der Vorschlag ignoriere komplett den Schaden für Natur und Umwelt. "Deshalb bleibe ich bei meinem Nein." Allerdings sieht das Landwirtschaftsminister Christian Schmidt von der CSU ganz anders. Sein Haus befürwortet den Vorschlag. Auswirkungen auf die Artenvielfalt würden ohnehin geprüft - auch ohne die Formulierung.

Damit lebt eine alte Frontlinie wieder auf. Mittlerweile seit Jahren liegen beide Häuser im Streit über den Unkrautvernichter. Seine Zulassung in der EU war befristet, im vorigen Sommer war sie ausgelaufen. Schon damals konnten sich die beiden Ministerien nicht auf eine Verlängerung einigen; es kam zum mittlerweile berüchtigten "german vote": Weil die Koalition weder ja noch nein stimmen konnte, enthielt sie sich. Am Ende setzte die EU-Kommission eine vorläufige Verlängerung um 18 Monate durch. Diese Frist endet mit diesem Jahr. Ein neuer Beschluss muss her.

Kommende Woche soll sich der zuständige europäische Fachausschuss mit der Verlängerung befassen, spätestens im Oktober muss eine Entscheidung fallen. Dann müssten die EU-Staaten mit qualifizierter Mehrheit den Vorschlag der Kommission annehmen, soll Glyphosat tatsächlich für weitere zehn Jahre auf den Feldern erlaubt sein. Nur: Welche Bundesregierung wird dann abstimmen? Schließlich ist die Bundestagswahl erst Ende September.

Weil bis dahin Koalitionsverhandlungen kaum abgeschlossen sein dürften, muss wahrscheinlich die alte Regierung noch mal ran - und die ist nach Lage der Dinge zu keinem eindeutigen Votum imstande. Bleibt es beim Ressortstreit, muss sie sich laut ihrer Geschäftsordnung in Brüssel erneut enthalten. Stimmt aber Deutschland nicht zu, wird eine neue Zulassung immer unwahrscheinlicher.

Dabei steht mit der Entscheidung einiges auf dem Spiel, politisch wie finanziell. Denn damit wankt ein Versprechen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie hatte den Landwirten auf dem Bauerntag im Juni versprochen, die Bundesregierung werde sich für den weiteren Einsatz des günstigen Pflanzenschutzmittels einsetzen. Und auch beim Chemiekonzern Bayer dürfte der Ärger groß sein. Die Deutschen übernehmen den US-Saatguthersteller Monsanto, der das Mittel unter dem Namen "Roundup" vertreibt.

Umweltschützer würden dagegen begrüßen, wenn die Neuzulassung scheitert. "Der jetzige Vorschlag ist eine Enttäuschung", sagt beispielsweise Leif Miller, Geschäftsführer des Naturschutzbundes Nabu. Ganze Nahrungsnetze würden dadurch zerstört. Ähnlich argumentieren auch die Grünen. Schon wegen der ökologischen Folgen müsse Deutschland gegen die Wiederzulassung stimmen, sagt Agrarexperte Harald Ebner. "Zehn weitere Jahre Glyphosat sind zehn Jahre zu viel."

Schützenhilfe bekommen die Gegner der Chemikalie aus Kalifornien. Dort führt die zuständige Aufsichtsbehörde Glyphosat neuerdings unter jenen Substanzen, die nach Erkenntnissen des US-Bundesstaats Krebs verursachen können. Das allerdings ist unter Experten hoch umstritten.

© SZ vom 14.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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