Landwirtschaft:Angst vor den neuen Feldherren

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Mit farbigem Puder demonstrieren Menschen in Mexico-City gegen Monsanto. (Foto: Tomas Bravo/Reuters)

Bayer bietet für Monsanto, Chem China kauft Syngenta. Was die Bauern auf ihre Äcker säen und spritzen, kommt von immer weniger Konzernen.

Von Kathrin Werner und Claus Hulverscheidt, New York

Chris Porter hat viel zu tun. Seit halb sieben Uhr morgens sind er und seine drei Helfer dabei, Soja auszusäen, wie schon in den Tagen zuvor. Manchmal kommen sie erst um 21 Uhr nach Hause, heute haben sie es besonders eilig. "Da hinten im Westen wird der Himmel dunkel, in einer Stunde wird es Regen geben", sagt Porter. Das Land hier in Missouri ist weit, sein Blick verrät ihm mehr als die Wetter-App auf dem Handy. Es hat zu viel geregnet und es war zu kalt in den letzten Wochen. Als Farmer hat man immer Sorgen, sagt er.

Diese Woche ist eine weitere hinzugekommen: höhere Kosten. Denn sein Saatgut kauft Porter bei Monsanto, dem Agrarchemie-Unternehmen aus St. Louis, das bald zum Bayer-Konzern gehören könnte. Zwar hat Monsanto das 62 Milliarden Dollar schwere Übernahmeangebot des Rivalen vorerst abgelehnt - aber wohl vor allem, um den Preis nach oben zu treiben. Bayer hingegen hat deutlich gemacht, dass man Monsanto unbedingt will.

"Seit Jahren schon gehen die Saatgutpreise immer nur hoch, hoch, hoch", sagt Porter. "Wenn die Konzerne jetzt noch größer werden und Monsanto Ausländern gehört, wird es noch schlimmer." Er hat nichts gegen Bayer, sagt er, er kauft das Saatgut für seine Baumwollpflanzen bei den Deutschen. "Ich bin einfach nur dagegen, dass wir noch einen Wettbewerber verlieren." Er lacht, wenn er hört, dass die Monsanto-Übernahme gut für die Bauern sein soll. "Ein Haufen Bullshit", sagt der 40-Jährige. "Bald haben wir hier ein Monopol."

"Die gesamte Branche ist besorgt, dass weniger Auswahl höhere Preise bedeutet", sagt Garrett Stoerger, Partner bei der auf Landwirtschaft spezialisierten Beratungsfirma Verdant in Illinois. Schon heute kommt Monsanto nach Recherchen des Fachblatts Farm Journal auf Marktanteile von 36 Prozent bei Saat-Mais und 28 Prozent bei Sojabohnen. "Bislang stiegen Monsantos Anteile, weil sich die Bauern für den Konzern entschieden haben", sagt Stoerger. Das Saatgut sei zwar teurer, zugleich aber ertragreicher als die Ware der Wettbewerber. "Die Bauern hatten Auswahl, niemand konnte einfach die Preise festlegen."

Bei Mais und Soja ist Bayer in den USA bislang kein wichtiger Anbieter, bei Gemüse und Baumwolle sieht das schon anders aus. "Da schließen sich die Nummer eins und zwei zusammen", so Stoerger. Noch deutlicher wird die potenzielle Marktmacht eines fusionierten Konzerns, wenn man die Pflanzenschutzmittel einbezieht: Hier ist Bayer besonders stark, während Monsanto beim Saatgut dominiert. Unter dem Strich entstünde ein neuer Agrarriese, der die gesamte Produktionskette dominiert. "Den Bauern ginge eine weitere Alternative verloren", sagt der Agrarexperte.

Angesichts der zunehmenden Machtkonzentration muss Bayer damit rechnen, dass sich auch die amerikanischen Kartell- und Aufsichtsbehörden die Übernahmepläne genau anschauen werden. Sie sind ohnehin in Alarmbereitschaft und haben sich zuletzt oft quergestellt, wenn sich ein Konzern anschickte, eine marktbeherrschende Stellung zu erobern. Gerade erst hat das Justizministerium die geplante Fusion der Ölfeld-Dienstleister Halliburton und Baker Hughes so deutlich attackiert, dass beide ihr Vorhaben schließlich aufgaben.

Auch die Agrarchemieindustrie ist nach den Worten von Berater Stoerger "schon kräftig durchgeschüttelt und viel konzentrierter geworden". Allein Monsanto hat über die Jahre etliche kleinere Konkurrenten übernommen und so an Dominanz gewonnen. Zudem gibt es neben Bayer/Monsanto zwei weitere Milliardendeals: Chem China bietet für den Schweizer Pestizid- und Saatguthersteller Syngenta, den Monsanto auch gern gekauft hätte; gleichzeitig schließen sich die US-Chemiefirmen Dow Chemical und Dupont zusammen. Hinzu kommt die deutsche BASF. "Wir haben immer von den großen Sechs gesprochen, jetzt verschwinden zwei von ihnen, und einer wandert nach China ab", so Stoerger. "Die Rahmenbedingungen für den Wettbewerb verändern sich ganz grundlegend."

"Wir haben immer von den Großen Sechs gesprochen, jetzt verschwinden zwei von ihnen."

Laut Wall Street Journal würden die drei Fusionen zusammengenommen dazu führen, dass 83 Prozent des gesamten Mais-Saatguts der USA und 70 Prozent der weltweiten Pestizide von nur noch drei Unternehmen stammen. Hinzu kommt: Nicht alle Konzerne sind in allen Regionen tätig. Von drei Anbietern blieben deshalb in der Praxis mancherorts nur zwei oder gar nur einer übrig. Unabsichtlich hat Bayer-Chef Werner Baumann das sogar schon eingeräumt: Er verspricht den Bauern für den Fall einer Monsanto-Übernahme ein "Angebot aus einer Hand", vom Saatgut bis zum passenden Unkrautvernichter. Was nach einer runden Sache für die Landwirte klingt, bestätigt die Befürchtungen der Kritiker, dass die Kunden künftig nur noch bei einem einzigen Agrarchemiekonzern einkaufen sollen. Auch das Argument von Bayer-Chef Werner Baumann, ein größerer Konzern könne billiger produzieren, überzeugt Berater Stoerger nicht: "Vielleicht sind sie zusammen tatsächlich in vielen Bereichen effizienter", sagt er. "Aber wenn niemand da ist, der einen jagt oder den man jagen will, gibt es auch keinen Druck, Forschung zu betreiben. Es besteht die Gefahr, dass man selbstgefällig wird."

Beunruhigt ist auch der Bauernverband National Farmers Union. "Familienbetriebene Höfe, Viehzüchter und die Verbraucher sind diejenigen, die am Ende verlieren, wenn wir den Wettbewerb verkümmern lassen", sagt Verbandspräsident Roger Johnson, der auf seinem Hof in North Dakota Raps anbaut. Im Moment hat er die Wahl zwischen elf verschiedenen Sorten, von denen je nach Wetter und Boden allerdings oft nur zwei, drei in Betracht kommen. Schlimmer noch: Lieferant ist in allen elf Fällen entweder Dow Chemical oder Dupont - jene beiden Konzerne also, die sich gerade zusammenschließen. "Wenn ich von einem Händler abhänge, kann er die Preise festsetzen, wie er will. Es ist ein Problem, ein wachsendes Problem."

Den Hinweis einiger Experten, die Preise für Saatgut seien zuletzt ja eher gesunken als gestiegen, hält Johnson für scheinheilig: "In guten Jahren, wenn wir mehr für unsere Produkte verlangen können, steigen die Saatgutpreise rasch mit an", schimpft er. "In schlechten Jahren, wenn die Preise für unseren Raps, unsere Sojabohnen oder unseren Mais sinken, fallen auch die Saatgutpreise - aber längst nicht so schnell." Unterm Strich, so Johnson, müssten die Bauern schon heute einen immer größeren Teil der Einnahmen für Saatgut und Pflanzenschutzmittel ausgeben.

© SZ vom 27.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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