Kurz vor dem Staatsbankrott:Griechisches Glücksspiel

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Griechenland zieht die Notbremse, um einen Staatsbankrott im letzten Moment zu verhindern - doch ohne einen Mentalitätswandel bleibt Athens Sparpaket nur ein Muster ohne Wert.

Christiane Schlötzer

Zum Jahreswechsel hat die griechische Regierung ihren Bürgern ein Geschenk gemacht. Es ist ein kleines und etwas merkwürdiges Präsent. Eine Steuer wurde ausgesetzt: die zehnprozentige Besteuerung kleiner Lotteriegewinne. Wer weniger als 100 Euro gewinnt, muss diese Summe also nicht versteuern.

Die Akropolis im Gegenlicht - doch die Athener haben in diesen Tagen ganz andere Sorgen. (Foto: Foto: dpa)

Die Griechen lieben das Glückspiel, und die Steueränderung dürfte an den bisherigen Verhältnissen kaum etwas ändern - weil ohnehin kaum jemand daran gedacht haben dürfte, die Steuer zu bezahlen. Das Geschenk zum neuen Jahr war nichts weiter als symbolische Politik. Der sozialistische Regierungschef Giorgos Papandreou trachtet damit die Herzen der kleinen Leute zu erwärmen, bevor der kalte Schauer kommt, den sein Finanzminister in Athen gerade vorbereitet.

Eine halbe Million Staatsdiener sollen hinnehmen, dass ihre Löhne und Gehälter bald schon eingefroren oder gar um vier Prozent gekürzt werden. Ein "Schock-Sparplan" solle es werden, lässt die Regierung wissen, und seit Tagen malen die Medien das Jahr 2010 in schwärzesten Farben. Höhere Steuern drohen auf Treibstoff und Tabak. Eine Anhebung der Mehrwertsteuer auf 20 oder 21 Prozent wird überlegt. Alles dies, um Griechenland, dessen Staatsdefizit im vergangenen Jahr auf 12,7 Prozent kletterte, vor dem Staatsbankrott zu retten. Auf 40 engbeschriebene Seiten soll der Maßnahmenplan schon angewachsen sein, den die EU in den nächsten Tagen unter die Lupe nehmen wird. Athen braucht die Billigung seiner Sparvorschläge durch die Kommission in Brüssel und durch die Europäische Zentralbank in Frankfurt so dringend, wie ein Verhungernder einen Teller nahrhafte Suppe.

Denn ohne eine solche europäische Bestätigung werden sich die Banken und andere Anleger in aller Welt zieren, den Hellenen frisches Kapital zu geben. Griechenland aber ist auf neue Geldspritzen angewiesen - und dies noch zu möglichst günstigen Konditionen, da die Zinslasten das hochverschuldete Land schon jetzt zu erdrücken drohen. Denn in der Vergangenheit borgten sich der Staat, aber auch viele seiner Bürger so viel Geld, als könne man die Kreditsummen bei irgendeinem Glücksspiel leicht wieder verdienen.

Die EU dürfte den Griechen den Gefallen tun und das Sparprogramm - nach längerem Drehen und Wenden - letztlich gutheißen, weil sie kaum anders kann. Eine Insolvenz des Euro-Landes würde der gemeinsamen Währung nachhaltigen Imageschaden zufügen. Zudem sind griechische Staatsfirmen gute Kunden vieler europäischer Unternehmen; sie kaufen Pillen und Panzermunition (hier winkt Deutschland gerade ein neuer Auftrag).

Ist Papandreous Sparpaket von Brüssel aber erst mal gebilligt und fließen die Kredite wieder, dann muss aus dem schönen Schein auch noch harte Wirklichkeit werden. Dies wird jedoch nicht ohne einen Mentalitätswandel gehen, und dafür stehen die Zeichen derzeit nicht gut. Zwei Drittel der Griechen zeigen sich nach einer Umfrage nicht bereit dazu, einen persönlichen Beitrag zur Verbesserung der Finanzlage ihres Landes zu leisten. Das ist kein Wunder. Schließlich muss ein einfacher Staatsbediensteter, beispielsweise ein Lehrer, in Piräus nur einen Bummel durch den Yachthafen machen, um zu erfahren, wie schön es sein kann, den Staat zu betrügen. Ganze 5000 Steuerzahler gibt es unter elf Millionen Einwohnern, die ein Einkommen von mehr als 100.000 Euro angeben. Schöne Boote gibt es indes mehr - und Schwarzbauten in ruhigen Buchten auch.

Korruption von der Kirche bis zu den Krankenhäusern bleibt meist ohne Folgen. Die Kultur der Straflosigkeit zerstört das Vertrauen in den Staat als Wächter über Recht und Unrecht. Solange die neue Regierung nicht den Mut findet, mit diesem griechischen Erbe aufzuräumen, kann sie noch so viele Bagatellsteuer abschaffen: Sie wird das Volk nicht für einen Wandel gewinnen.

© SZ vom 05./06.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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