Künstliche Intelligenz:Überfordert vom Wandel

Lesezeit: 3 min

Mike Haley leitet beim US-Software-Konzern Autodesk das Team für künstliche Intelligenz. Die könne helfen, viele Probleme zu lösen. (Foto: OH)

Mike Haley ist zuständig für künstliche Intelligenz beim Softwarehersteller Autodesk. Er fragt sich, ob die Menschen mit der Entwicklung Schritt halten können.

Von Helmut Martin-Jung, Berlin

Nein, keinen Kaffee, sagt Mike Haley, "das wollen Sie nicht sehen, wie ich dann bin". Wäre auch schwer vorstellbar: Haley, 48, ist auch so schon zappelig genug. Das liegt an seiner Art, aber auch an seiner Begeisterung für das spannende Gebiet, das er bei der US-Softwarefirma Autodesk leitet: künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen. Autodesk produziert vor allem Software für computergestütztes Design, auch für den 3D-Druck.

In keinem anderen Bereich der Technik tut sich derzeit so viel. Und das ist auch bitter nötig, findet Haley: "Wir lösen so viele Probleme nicht", sagt er, "KI kann uns dabei helfen." Ein Beispiel? "Jeden Tag steigen Tausende Menschen in die Mittelschicht auf, bis zum Jahr 2050 wird die Weltbevölkerung bei zehn Milliarden Menschen liegen." Es müssten täglich 1000 Häuser gebaut werden, damit alle eine Wohnung haben, aber bei Dingen wie dem Wohnungsbau würden veraltete Methoden genutzt. "Die skalieren nicht und bringen viele Umweltprobleme." Dabei gebe es jetzt genügend Daten und die Rechenpower, sie zu verarbeiten. "Das verändert die Grundbedingungen", sagt Haley.

Er sieht auch die Tendenz, dass die Maschinen immer komplizierter und damit schwieriger zu beherrschen seien. Wenn das so weitergehe, könnten Menschen, die diese Maschinen steuern und beherrschen sollen, die nötigen Fähigkeiten dazu irgendwann nicht mehr erlernen. KI aber könne hier helfen. KI könne auch helfen, besser zu werden. Als Beispiel zeigt Haley die Planung für eine neue Wohnsiedlung, bei der verschiedenste Wünsche unter einen Hut gebracht wurden, von der Ausrichtung zur Sonne bis zur Wegführung. "Die Software macht Vorschläge, sie findet Zusammenhänge, die ein Mensch niemals entdeckt hätte." Geistige Voreingenommenheit verhindere bei Menschen viele kreative Lösungen.

Künstliche Intelligenz dagegen greift nicht nur auf einen riesigen Fundus von Lösungen zurück, die es schon gibt, sie kann in sehr kurzer Zeit auch Millionen und Abermillionen von Varianten durchspielen. So entstand beispielsweise das Design einer neuen Gurtschloss-Halterung für General Motors, erzählt Haley. Das Ergebnis: Das neue Bauteil, dessen komplexe Form am 3-D-Drucker hergestellt wird, ist nicht nur leichter als das alte, es ist auch erheblich stabiler. Ein Mensch, dessen kann man sicher sein, wäre auf die ziemlich verrückte Form wohl kaum gekommen.

Das alles gibt es schon, doch Haley und seine Leute denken längst weiter. Unter anderem haben sie einen Roboter entwickelt, der aus Legosteinen Formen nachbaut, die man ihm als 3-D-Modell eingibt. Die Software des Roboters wählt nicht bloß die richtigen Legosteine für den jeweiligen Job aus. Mit motorisch betriebenen Armen mit ihren Greifzangen sucht er sie aus einem ungeordneten Haufen von Steinen heraus, dreht sie in die richtige Richtung und platziert sie dann millimetergenau.

Roboter sollen mehr können, als nur stumpf immer denselben Schweißpunkt zu setzen

Natürlich aber will Autodesk keine Lego-Häuser bauen; der Roboter ist vielmehr ein Demonstrationsobjekt dafür, dass Roboter künftig mehr können sollen, als stumpf immer nur denselben Schweißpunkt an exakt die gleiche Stelle eines Werkstücks zu setzen. Die maschinellen Helfer sollen dank künstlicher Intelligenz auch mit weniger exakt festgelegten Bedingungen zurande kommen und sich selbst Lösungen für die jeweilige Situation suchen.

Noch werden ungeduldige Menschen nervös, wenn sie einem Roboter dabei zusehen, wie er in Zeitlupentempo den Stein sucht, ihn mühsam mit zweimaligem Absetzen wendet und dann endlich auf den die anderen Steine steckt. Doch das wird nicht so bleiben.

Was aber bedeutet es für die Zukunft, wenn schlaue Computer und Maschinen viel von dem übernehmen können, was heute Menschen tun? "Man muss realistisch sein", sagt Haley, "das wird viele Jobs verändern, Menschen werden ihren Job verlieren." Aber die Menschen seien auch unglaublich schlecht darin, die Zukunft vorherzusagen, schränkt er ein. Es habe schon viele Veränderungen gegeben, immer habe es danach mehr Jobs gegeben. "Aber der heutige Wandel geht viel schneller." Die Frage sei: "Wie können sich die Menschen dem noch anpassen?"

Es müsse sich deshalb auch bei der Bildung sehr viel ändern. "In Zukunft kann man nicht mehr nur studieren, ohne dabei produktiv zu sein", glaubt er. Dies hänge auch mit der zunehmenden Komplexität der Welt zusammen. Und mit der Geschwindigkeit, mit der sich diese Entwicklung vollzieht: "Die Grenze dessen, an das man sich noch anpassen kann, geht runter", sagt er. Und weil alles so schnell gehe, entstehe eine neue Barriere. Für Kinder sei es zum Beispiel heute viel schwerer, programmieren zu lernen, weil es inzwischen so viele verschiedene Programmiersprachen gebe.

Haley ist zwar begeistert von Technologie, er sieht aber auch mögliche Nachteile. Er findet zum Beispiel, dass sich zu viel Reichtum bei wenigen Konzernen ansammele, die dann das Geld haben, massiv in die KI-Forschung zu investieren. Die militärische Nutzung von KI ("Ich bin sicher, das passiert schon.") beschäftigt ihn ebenso wie die zunehmende Erosion der Privatsphäre und die Möglichkeiten der Manipulation durch KI. Das Problem aber sei: "Was sich Menschen ausdenken, wird irgendwann real."

© SZ vom 01.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: