Kükentöten:Hoffnung für den Tierschutz

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Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nächste Woche über ein Verbot.

Von Wolfgang Janisch, Leipzig

Es war sicher nur dem Zufall des gerichtlichen Terminkalenders geschuldet, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Urteilsverkündung zum massenhaften Kükentod in Brütereien für den 23. Mai angesetzt hat. Aber nach dem Gang der Verhandlung an diesem Donnerstag in Leipzig darf man vermuten: Der Jubiläumstag des Grundgesetzes ist ein passender Termin dafür, weil dort in Artikel 20a auch der Tierschutz enthalten ist - wenngleich nicht seit 1949, sondern erst seit 2002. Und der Tierschutz ist im Streit zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und zwei Brütereien bisher etwas zu kurz gekommen. So jedenfalls konnte man die Senatsvorsitzende Renate Philipp verstehen: Damit sei das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) ziemlich schnell fertig gewesen.

2013 hatte das Land Nordrhein-Westfalen einen Vorstoß unternommen, um eine jahrzehntelange Praxis zu beenden: die Tötung männlicher Küken, die in den Legehennenbetrieben und auch als Masthähnchen nichts nutzen, weil die Rassen schon in den Sechzigerjahren auseinandergezüchtet wurden. 45 Millionen Küken pro Jahr werden deshalb in Deutschland getötet. Mehrere Landkreise in NRW schickten den Brütereien im Land Untersagungsverfügungen: Ende 2014 sollte damit Schluss sein. Die Gerichte hoben die Verfügungen jedoch auf. Zuletzt entschied 2016 das OVG Münster zugunsten der Betriebe.

Wie es aussieht, wird sich das Bundesverwaltungsgericht nun sehr grundsätzlich mit einer Abwägung befassen, in der die Tiere bisher eher die Rolle eines Wirtschaftsgutes spielten. Was ist eigentlich ein "vernünftiger Grund", der es rechtfertigt, Tieren "Schmerzen, Leiden oder Schäden" zuzufügen, wie es im Tierschutzgesetz heißt. Reicht es, dass es unwirtschaftlich wäre, all die kleinen Küken aufzuziehen, die keiner haben will? Oder hat sich etwas verändert, seit auch das Grundgesetz die Tiere nennt? "Spielt Artikel 20a nicht doch eine Rolle?", so die Vorsitzende.

Überhaupt war es eine Verhandlung der großen Fragen: Till Oliver Rothfuß, Berichterstatter im Senat, hatte zur Vorbereitung gar einen philosophischen Aufsatz verschickt. Rothfuß wollte zum Beispiel wissen, ob das Leben des Tieres in der Rangordnung des Tierschutzgesetzes tatsächlich das höchste Gut sei - oder ob womöglich der Schutz vor Leid und Schmerz noch höher angesiedelt sei. Keine ganz triviale Frage, in der Europäischen Union wird sie unterschiedlich beantwortet; einen "Lebensschutz" für Tiere gibt es überhaupt nur in Deutschland und Österreich, anderswo geht es darum, Qualen zu verhindern.

Millionen männlicher Küken werden jedes Jahr in Deutschland getötet. (Foto: Peter Endig/dpa)

Es wäre nicht überraschend, wenn das Gericht die Gewichte neu austarieren würde - mit einer Stärkung des Tierschutzes. Was das aber für die Brütereien bedeutet, ist offen. Der Senat arbeitete sich auch an der Frage ab, ob man eine Praxis, die lange Zeit unbeanstandet geblieben ist, von heute auf morgen abstellen kann. Kann man den Brütereien einfach das Licht ausknipsen oder ist eine Übergangsfrist erforderlich, fragte Philipp. Zumal die Forschung daran arbeitet, das Geschlecht der Küken schon vor dem Schlüpfen erkennbar zu machen. Rechtsanwalt Martin Beckmann, der die Betriebe vertritt, ließ keinen Zweifel daran. Ein Tötungsverbot wäre das Ende der Betriebe.

© SZ vom 17.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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