Kryptowährungen:Digitales Geld löst einen neuen Goldrausch aus

Lesezeit: 3 Min.

Chris Larsen - Mitgründer des Start-ups Ripple (Foto: imago/ZUMA Press)
  • Der Kurs des Ripple hat im vergangenen Jahr um 36 000 Prozent zugelegt.
  • Chris Larsen, Mitbegründer des kalifornischen Start-ups Ripple, wurde damit vergangenen Donnerstag unerwartet zum fünftreichsten Menschen der Welt - zumindest für einen kurzen Moment.

Von Christian Gschwendtner und Andrea Rexer

Es dauerte nicht lange, bis die ersten Glückwünsche eintrafen. "Gratulation Chris", schrieb ein Nutzer auf Twitter. Ein anderer wünschte Chris Larsen einen Goldregen. Der Mitbegründer des kalifornischen Start-ups Ripple war am vergangenen Donnerstag völlig unerwartet zum fünftreichsten Menschen der Welt aufgestiegen. Zumindest für einen kurzen Moment.

Das US-Magazin Forbes schätzte sein Vermögen zu diesem Zeitpunkt auf 59 Milliarden US-Dollar. Larsen war mit einem Mal reicher als Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Ein Unbekannter aus dem Silicon Valley, dessen Namen bisher so gut wie niemand gehört hatte, wurde damit plötzlich zum Goldjungen der Tech-Szene.

Hinter dem sagenhaften Aufstieg von Larsen steht tatsächlich eine Art Goldrausch. Allerdings ist dessen Objekt der Begierde kein Edelmetall, sondern Münzen, die man nicht einmal anfassen kann: Kryptowährungen. Dieses digitale Geld ist nicht durch Zentralbanken abgesichert, sondern durch ihre Algorithmen. Und damit sind sie streng genommen auch keine Währungen, sondern Spekulationsobjekte.

"Das große Potenzial steckt in der Software des Ripple-Netzwerks"

Die erste "Währung" dieser Art war Bitcoin. Deren unbekannter Erfinder wurde jedoch weniger für die konkrete Anwendung Bitcoin gefeiert, sondern für die dahinterliegende Technologie Blockchain. Vereinfacht kann man sich darunter eine Datenbank vorstellen, die auf vielen Rechnern gleichzeitig geführt wird und deren Einträge dadurch sicher vor Fälschungen sind.

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Die Firma "Long Island Iced Tea" heißt bald "Long Blockchain". Weitere Unternehmen wollen unbedingt am Hype um Bitcoin und Blockchain verdienen.

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Die Blockchain-Technologie hat sich inzwischen losgelöst von Bitcoin und wird als Basis einer Vielzahl verschiedener Kryptowährungen benutzt. Eine davon ist die von Larsen, sie heißt offiziell XRP, wird aber oft auch wie das Unternehmen genannt: Ripple. Der Kurs ist im letzten Jahr so stark angestiegen wie bei keiner anderen Kryptowährung: um schwindelerregende 36 000 Prozent und damit etwa zwanzig Mal so stark wie bei Bitcoin. Das Wall Street Journal mutmaßte deshalb, dass Ripple bald Bitcoin als führende Kryptowährung ablösen könnte.

Das Interessante an Ripple sind nicht die Münzen, die Coins. Diese seien derzeit "reine Spekulation", sagt Oliver Bussmann, der mehrere Jahre als IT-Chef der Schweizer Großbank UBS tätig war. Er gilt als einer der führenden Blockchain-Experten Europas. "Das große Potenzial steckt in der Software des Ripple-Netzwerks", so Bussmann. Während sich Bitcoin als Zahlungsmittel oder Spekulationsobjekt für Privatkunden positioniert, setzt Ripple auf Unternehmenskunden, die mit Hilfe der Technologie des Start-ups internationale Zahlungen abwickeln können. "Es sind die Firmenkunden der Banken, von denen der entscheidende Druck ausgehen wird, die neue Technologie einzuführen", sagt Bussmann. Und genau dort setzt Ripple an.

Schon jetzt nutzen über 100 Banken das Ripple-System, um Auslandsüberweisungen günstiger, schneller und fehlerfreier abzuwickeln. Das Einsparpotenzial ist enorm, weil Korrespondenzbanken überflüssig werden. Mit Hilfe der Blockchain lassen sich die Zahlungen dagegen ohne Zwischenschritte abwickeln. Die Unternehmenskunden sparen sich dadurch hohe Gebühren für ihre Transaktionen. Sie müssen dazu keine Kryptowährungen besitzen, diese dienen nur als Verrechnungseinheit.

In der Krypto-Szene ist Larsen zum Teil umstritten. Seine Kritiker werfen ihm vor, ein Dienstleister der Wall Street zu sein, dem es um maximale Rendite geht und nicht um die ursprüngliche Bitcoin-Idee: eine Welt frei vom Einfluss von Notenbanken und Regierungen zu schaffen. Unbestritten ist, dass Larsen bestens vernetzt ist mit den Eliten in Washington und im Silicon Valley. Zu seinen Geldgebern zählen Google Ventures und der deutschstämmige Investor Peter Thiel.

"Lasst euch nicht in die Irre führen"

Wie lang deren Freude anhält, ist ungewiss. Denn bereits am Montag brach der Ripple-Kurs wieder stark ein. Die Firma gibt dem Analysehaus Coinmarketcap die Schuld an dem Einbruch. Es bündelt die Preise der Kryptowährungen auf einer zentralen Plattform. Die Analysten von Coinmarketcap entschieden am Montag, Börsen in Südkorea nicht länger zu berücksichten - angeblich, weil die Kryptowährungen dort erheblich mehr kosten als anderswo auf der Welt. Die Folge: Alle Kurse brachen ein. Ripple traf es besonders hart. Es half auch nichts, dass der Chef-Entwickler der Firma versuchte, die Anleger über Twitter zu beruhigen und schrieb: "Lasst euch nicht in die Irre führen."

Der Hype um Bitcoin, Ripple und Co. führt dazu, dass inzwischen auch immer mehr Privatanleger ihr Geld in diese stecken - in der Hoffnung auf gigantische Gewinne. "Kryptowährungen entwickeln sich zur eigenen Assetklasse", sagt Bussmann. Das bedeutet, dass Anleger in sie investieren können wie in Rohstoffe, Aktien oder Anleihen. Das Interesse institutioneller Investoren ist dafür ein Anzeichen. Überall auf der Welt werden Fonds gegründet, die in Kryptowährungen und deren Anbieter investieren. Allerdings sind die Risiken für private Anleger enorm, ihnen droht auch der komplette Verlust ihres Kapitals, falls eine Kryptowährung ebenso schnell abstürzt, wie sie zuvor gestiegen ist. Mehrere Notenbanker warnten deshalb in den vorigen Wochen vor dem Kauf von Kryptowährung.

Es ist völlig unklar, welche Kryptowährung sich durchsetzt und welche untergehen wird. Denn es gibt einige andere vielversprechende Blockchain-Netzwerke: Ethereum etwa, oder Iota. "Wer es schafft, am schnellsten die meisten Anwendungen auf sein Netzwerk zu holen, der wird das Rennen gewinnen", glaubt Bussmann. Er vergleicht die Entwicklung mit den Smartphone-Betriebssystemen IOS und Android. Auch hier ist es entscheidend, wie viele Apps auf dem jeweiligen System laufen. Larsen drückt sich einfacher aus. Er sagte zu dem großen Kurssprung: "Du musst in der Mitte der Straße stehen, wenn dich der Glücks-Bus überfährt."

© SZ vom 10.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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