Finanzcrash:Wie eine obskure Kryptowährung den Markt in den Abgrund reißt

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"Terra" steht im Mittelpunkt der Aufregung am Krypto-Markt. (Foto: DADO RUVIC/REUTERS)

TerraUSD heißt eine von vielen sogenannten "Stablecoins", einer angeblich stabilen Gruppe von Kryptowährungen. Aber nun herrscht wegen TerraUSD blankes Chaos, und Werte in Höhe von 200 Milliarden Dollar sind weg.

Der Kursverfall einer bislang wenig bekannten Digital-Devise versetzt die gesamte Kryptobranche in Aufregung. Die Währung TerraUSD, deren Kurs eigentlich eins zu eins an den US-Dollar gebunden sein sollte, stürzte in den vergangenen Tagen zeitweise rund 70 Prozent ab und lag dem Branchendienst CoinMarketCap.com zufolge am Donnerstag bei 0,63 Dollar. Auf dem gesamten Markt sollen Berechnungen von Bloomberg zufolge seit dem Höhepunkt des Krypto-Booms im November 200 Milliarden Dollar vernichtet worden sein.

"Der Kollaps der Kursbindung von TerraUSD hatte einige hässliche und vorhersehbare Nebenwirkungen", sagte Richard Usher, Manager beim Finanzdienstleister BCB, der auf Digitalwährungen spezialisiert ist. Eine davon sei der Ausverkauf bei anderen Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum. Deren Kurs fiel seit Wochenbeginn um 18 beziehungsweise 25 Prozent. TerraUSD gehört zu den sogenannten Stablecoins. Ihre Kurse sind an andere Werte wie den US-Dollar oder Gold gebunden. Damit sollen Kurskapriolen, wie sie bei Bitcoin an der Tagesordnung sind, vermieden werden. Denn bei Letzteren entscheidet allein Angebot und Nachfrage über den Preis. Während die meisten Anbieter von Stablecoins die Kursbindung mit Einlagen beispielsweise in Dollar oder Gold gewährleisten, ist TerraUSD ein "dezentraler" Stablecoin. Hier soll automatisiert ein komplexer Mechanismus von Handelsgeschäften mit anderen Kryptowährungen den Kurs bei einem US-Dollar pro TerraUSD halten. Mit einer Marktkapitalisierung von insgesamt 7,6 Milliarden Dollar ist TerraUSD laut CoinMarketCap.com die Nummer 14 der Kryptowährungen.

Angesichts der parallel einbrechenden Märkte wiesen Händler auf das Chaos bei Kryptowährungen als einen Brennpunkt hin. Strategen sind zunehmend in Sorge, dass Kleinanleger, die bereits unter den Verlusten mit Meme-Aktien leiden, mit ihren Kryptobeständen aufgerieben werden und alles andere verkaufen. "Die Ansteckung erfolgt hier nicht über die Verbindungen zwischen der Krypto-Szene und dem traditionellen Finanzsystem, sondern über die Stimmung der Kleinanleger", sagte Nikolaos Panigirtzoglou, globaler Marktstratege bei JPMorgan Chase & Co. "Wenn der Kapitalverlust von einer Billion Dollar in den Kryptomärkten einen breit angelegten Rückzug von Kleinanlegern in anderen Risikoanlagen wie Aktien verursacht, dann ist das der Ort, an dem die Ansteckung stattfindet."

Im Sog von TerraUSD geriet auch der Kurs des bekanntesten Stablecoins, Tether, ins Rutschen und fiel am Donnerstag auf bis zu 0,95 Dollar. Da Tether nur unzureichend transparent mache, mit welchen Wertpapierbeständen es die Kursbindung an den Dollar aufrecht erhalte, sei es ein natürliches Ziel für Spekulanten, sagte BCB-Experte Usher. Tether sei aber etablierter als TerraUSD. Daher werde sich der Kurs sicher bald wieder bei einem Dollar einpendeln. Mit einem Börsenwert von etwa 82 Milliarden Dollar ist Tether hinter Bitcoin und Ethereum die Nummer drei unter den Kryptowährungen. Rund die Hälfte der addierten Marktkapitalisierung aller Stablecoins entfällt auf diese Cyber-Devise.

Vor diesem Hintergrund wollen Regierungen die Regulierung des Sektors vorantreiben. Ashley Alder, Chef der Weltorganisation der Börsenaufsichten (IOSCO), signalisierte für kommendes Jahr die Gründung einer internationalen Behörde für Kryptowährungen. Neben dem Klimawandel und der Pandemie sei dies das dritte wichtige Thema für Regierungen. Die US-Notenbank hatte unlängst vor Kurseinbrüchen bei Stablecoins gewarnt, weil in turbulenten Börsenzeiten der Wert der Einlagen, die die Preisbindung gewährleisten sollen, fallen könne.

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