Krisentreffen in Brüssel:Wie die Eurogruppe gegen den Pleitevirus kämpfen will

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Verlängerte Laufzeiten für Notkredite, Zinsen runter: Die Euro-Finanzminister sagen der Ausbreitung der Schuldenkrise den Kampf an. Der Rettungsschirm soll für neue Aufgaben eingesetzt werden, um die Stabilität des Euro zu gewährleisten. Doch die Anleger reagieren nervös: Der Eurokurs stürzte ab.

Die Eurogruppe will die Laufzeiten der Notkredite für Wackelkandidaten verlängern und die Zinsen senken. Darauf einigten sich die Euro-Finanzminister, um die Ansteckungsgefahr durch die Schuldenkrise einzudämmen. Auch soll der befristete Rettungsschirm EFSF neue Aufgaben erhalten.

Die Stimmung zwischen Griechenlands Finanzminister Evangelos Venizelos (links) und Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker ist gut, doch die Zeit drängt: In Brüssel haben sich die Euro-Finanzminister nun darauf geeinigt, dem hochverschuldeten Land eine Verschnaufpause zu gönnen. (Foto: AFP)

Konkret wird der Abschlusserklärung zufolge überlegt, "die Flexibilität und den Anwendungsbereich" des Euro-Rettungsfonds zu erweitern. Der Fonds kann nach einer kürzlich beschlossenen Aufstockung 440 Milliarden Euro an verschuldete Länder verleihen. Offen blieb, ob diese Summe aufgestockt werden soll. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte vor dem Treffen eine Erhöhung des Fonds strikt abgelehnt.

EU-Währungskommissar Olli Rehn schloss nicht aus, dass der Fonds künftig auch Schulden von Euroländern an den Finanzmärkten aufkaufen kann. Festgelegt habe man sich aber noch nicht auf die neuen Instrumente. Beschlüsse sollten in Kürze getroffen werden, hieß es.

Eurokurs stürzt ab

Die Angst vor einem Übergreifen der Schuldenkrise auf Italien hat die Börsenkurse am Dienstag abstürzen lassen. Der Dax fiel in den ersten Handelsminuten unter 7000 Punkte. Er verlor zeitweise mehr als 200 auf 6996 Punkte, bevor er sich wieder leicht erholte.

Die Aktienverkäufe gingen einher mit einem stark abwertenden Euro, der zu Dollar und Yen auf den tiefsten Stand seit vier Monaten abrutschte. Der Kurs lag unter 1,39 Dollar. Vor einer Woche stand er noch bei 1,45 Dollar.

Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker hatte sich degegen zuversichtlich gezeigt, dass Laufzeitverlängerungen und Zinssenkungen den Staaten am Euro-Tropf helfen werde, also Griechenland, Irland und Portugal. "Ihre Schuldenlast wird dadurch gesenkt." Die Größenordnung sowie einen Zeitpunkt, von dem an die Erleichterungen gelten sollen, blieben die Minister indes schuldig. "So schnell wie möglich" werde darüber entschieden, sagte Juncker.

In Ihrer Erklärung bekennt sich die Eurogruppe abermals dazu, die Stabilität der gesamten Eurozone zu verteidigen. Doch die Ankündigungen bleiben vage. Ob dies die Märkte beruhigen kann, ist offen. Vor allem die Sorge, Italien werde von seinem Konsolidierungskurs abweichen, hatte in den vergangenen Tagen für große Verunsicherung gesorgt.

Die Zinsen für italienische Staatsanleihen waren am Montag auf ein neues Rekordhoch geschossen, die Börsen gaben nach, auch der Euro verlor einen Prozent gegenüber dem Dollar. "Wir sind uns gewahr, dass das Land im Visier der Märkte ist", sagte Juncker.

Die neue Chefin des Internationalen Währungsfonds IWF, Christine Lagarde, sucht Sorgen über Italien zu dämpfen. "Italien hat ganz klar im Moment mit Problemen zu tun, die im wesentlichen von den Märkten befeuert wurden", sagte sie. Einige der Wirtschaftsdaten des Landes seien exzellent, ein großer Teil der Schulden werde im Inland gehalten. Das begrenzt den Einfluss internationaler Märkte. Allerdings sei ebenso klar, dass sich das italienische Wirtschaftswachstum verbessern müsse.

IWF-Chefin: Noch keine Debatte über zweites Griechenland-Paket

Kein Durchbruch wurde auch im Ringen um das zweite Rettungspaket für Griechenland erzielt. In der Erklärung werden lediglich "die Vorschläge des privaten Sektors für einen freiwilligen Beitrag begrüßt". Auch der Internationale Währungsfonds zeigte sich noch nicht bereit, über die Bedingungen eines zweiten Rettungspakets für Griechenland zu diskutieren. Vor Journalisten in Washington sagte IWF-Chefin Lagarde, Griechenland habe zwar wichtige Schritte zur Kontrolle seines Haushaltsdefizits unternommen, dies sei aber noch nicht ausreichend.

Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou hingegen drängt zur Eile: In einem Brief wendet er sich an Eurogruppen-Präsident Juncker und ruft die EU zu einer umfassenden Lösung der Schuldenprobleme seines Landes auf. Papandreou spricht sich dafür aus, sobald wie möglich eine Reihe geschlossener Arbeitstreffen zu starten, um "effektive und möglicherweise weitreichende Lösungen" anstatt kurzfristiger Antworten zu finden. Der Vorschlag zur Beteiligung privater Gläubiger an einem zweiten Rettungspaket für sein Land scheine mit Makeln behaftet zu sein, heißt es in dem Brief. "Ich glaube daher, dass es nun an der Zeit ist, unsere fundamentalen Probleme direkt anzugehen und ein umfassendes Paket von Lösungen zu schaffen, das eindeutig unsere Entschlossenheit demonstriert, weiteren Schaden von dem europäischen Projekt oder dessen Zerstörung zu verhindern", schreibt Papandreou weiter.

Star-Anleger Soros fordert Plan B für Griechenland

Nach Ansicht des Großinvestors George Soros helfen alle Anstrengungen nichts: Soros zufolge bewegt sich Griechenland auf einen Zahlungsausfall oder zumindest auf eine Abwertung zu. Die Führer der Europäischen Union sollten sich daher einen Plan B zurechtlegen, um eine Ansteckung der anderen Länder zu verhindern, schrieb Soros in einem Beitrag der Financial Times.

Der Zahlungsausfall könnte unausweichlich sein: "Eine gewisse Ansteckung wird nicht zu verhindern sein. Der Rest der Eurozone muss aber abgesichert werden." Das bedeute, dass die Eurozone gestärkt werden müsse durch eine umfangreichere Nutzung von Euro-Anleihen und ein System der Einlagensicherung. Die Politiker müssten zudem einen Plan B entwickeln, um eine politische Unterstützung dieser Maßnahmen zu erreichen. Die politische Elite Europas sollte zu den Prinzipien zurückkehren, die die Bildung der EU ermöglicht hätten. Bereits im Juni hatte Soros die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass ein Land die Eurozone verlässt.

Die Hängepartie über die neue Griechenland-Hilfe hat zur jüngsten Zuspitzung der Schuldenkrise beigetragen, doch eine Einigung scheint weiter nicht greifbar. Die Europäische Zentralbank bekräftigte ihre Position, dass jedes Kreditereignis, also auch ein teilweiser Zahlungsausfall, verhindert werden müsste. Die Position wurde in die Abschlusserklärung der Eurogruppe aufgenommen.

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