Krise bei US-Banken:Citigroup in Not

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Neuer Schlag für die Finanzmärkte: Nach einem dramatischen Kurssturz kursieren Gerüchte über den möglichen Verkauf der Citigroup. Die gesamte Branche sorgt sich wegen neuer Kreditausfälle.

Nikolaus Piper

Die Lage der angeschlagenen Großbank Citigroup hat sich zugespitzt. In den vergangenen Tagen hatte es einen dramatischen Kurseinbruch bei der Aktie gegeben. Wie amerikanische Medien übereinstimmend berichteten, trat am Freitag der Verwaltungsrat des Unternehmens zusammen, um über strategische Optionen zu beraten. Dabei soll es erstmals auch um den Verkauf der einstmals größten Bank der Vereinigten Staaten an ein anderes Institut gehen.

Citibank-Filiale in New York: Der Mutterkonzern Citigroup steckt in Turbulenzen, Gerüchte über einen möglichen Verkauf kursieren. (Foto: Foto: AP)

Der Aktienkurs von Citigroup hatte am Mittwoch 23 und am Donnerstag mehr als 25 Prozent des Wertes verloren. Dieser lag danach bei 26 Milliarden Dollar; die Bank kostete nur noch ein Zehntel dessen, was sie vor Beginn der Krise wert war. An dem Einbruch änderte zunächst auch die Vertrauenserklärung eines Großaktionärs nichts.

Prinz al Walid von Saudi- Arabien gab bekannt, dass er seinen Anteil von bisher vier Prozent erhöhen will. Am Freitag erholte sich der Kurs zunächst und stieg um mehr als acht Prozent. Später drehte er ins Minus und gab mehr als 20 Prozent nach. Ausgelöst wurde die Trendumkehr nach Aussage von Marktteilnehmern durch Gerüchte über eine mögliche Fusion von Citigroup mit einer anderen Bank.

Schwarzer Tag an der Wall Street

Das Management von Citi ersuchte inzwischen offiziell die Börsenaufsicht SEC, Leerverkäufe von Citi-Aktien einzuschränken.

Die SEC hatte diesen Schritt im Laufe der Krise schon für mehrere Kreditinstitute angeordnet, um die Spekulation auf sinkende Kurse einzudämmen. Am Mittwoch teilte Citi außerdem mit, sie werde die Vermögenswerte ihrer verbleibenden außerbilanziellen Zweckgesellschaften von 17,4 Milliarden Dollar in die Bilanz integrieren. Eine Sprecherin der Bank erklärte, Citi befinde sich in einer "sehr starken Kapital- und Liquiditätsposition". Zu Wochenbeginn hatte Bank-Chef Vikram Pandit ein Sanierungsprogramm angekündigt, dem mehr als 50.000 Arbeitsplätze zum Opfer fallen sollen.

Die Sorgen um die Citigroup und andere Banken hatten am Donnerstag für einen weiteren schwarzen Tag an der Wall Street gesorgt. Der Standard & Poor's 500 Index, in dem Finanztitel überdurchschnittlich gewichtet sind, hatte 6,7 Prozent verloren. Der Index lag damit unter dem Tiefpunkt der letzten Rezession in den Jahren 2001/2002. Die Anleger flüchteten erneut in amerikanische Schatzanweisungen (Treasuries), deren Rendite fast auf Null sank.

Hinter der Verkaufswelle steht, neben der ungewissen Lage der amerikanischen Autohersteller General Motors, Ford und Chrysler, die Furcht vieler Anleger, dass den Banken neue Ausfälle aus verbrieften Krediten drohen. Dazu gehören vor allem Wertpapiere, die durch Gewerbeimmobilien besichert sind. Seit die amerikanische Wirtschaft in die Rezession gerutscht ist, hat sich die Immobilienkrise auch auf den Gewerbesektor ausgedehnt. Die Kosten, um sich gegen Zahlungsausfälle bei Gewerbehypotheken zu versichern, haben sich binnen einer Woche verdoppelt.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wieso ein verlorener Wettlauf für Citigoup verhängnisvolle Folgen hatte

Rolle der US-Regierung ist unklar

Ausfälle drohen den Banken auch aus ihrem Kreditkartengeschäft und aus Autokrediten. Die Einkommenslage vieler Amerikaner hat sich zusehends verschlechtert. So war die Zahl der Neuanträge auf Arbeitslosenunterstützung - das ist ein wichtiger Frühindikator für die Konjunktur - in der vorigen Woche auf 542.000 gestiegen und erreichte damit sogar den höchsten Stand seit dem Jahr 1992.

Auch Hedgefonds haben vermutlich zu dem Ausverkauf beigetragen. Die Fonds-Manager müssen Aktien verkaufen, weil immer mehr Anleger ihr Geld zurückhaben wollen. Im Oktober sind aus der Hedgefonds-Branche insgesamt 40 Milliarden Dollar abgeflossen, berichtete die Analyse-Firma Hedge Fund Research (HFR) in Chicago. Das Gesamtvermögen der Fonds sank um 155 Milliarden Dollar.

Die hochspekulativen Hedgefonds hatten die erste Phase der Finanzkrise zunächst gut überstanden, mussten jedoch in den vergangenen Monaten schwere Verluste hinnehmen.

Unklar ist auch die künftige Rolle der US-Regierung. Finanzminister Henry Paulson hatte Citigroup bereits massiv gestützt. Er hatte aus dem staatlichen 700-Milliarden-Dollar-Rettungsfonds TARP stimmrechtslose Vorzugsaktien erworben. Nun sind die Finanzmärkte aber verunsichert, weil Paulson verkündet hatte, den Kreditinstituten künftig keine faulen Kredite mehr abkaufen zu wollen. Gleichzeitig ist der Börsenwert von Citi inzwischen so niedrig, dass Paulson für einen Bruchteil der Mittel im Rettungspaket die gesamte Bank kaufen könnte.

Partieller Verkauf als Alternative

Vor Beginn der Finanzkrise war Citigroup eine der mächtigsten Banken der Welt. Im Jahr 2002 gab es sogar noch Gerüchte, Citi könnte die Deutsche Bank übernehmen. Heute ist sie nach der Marktkapitalisierung nur noch die fünftgrößte Bank der Vereinigten Staaten. Verhängnisvoll für Citi war, dass ihr Chef Vikram Pandit im September den Wettlauf um die Sparkasse Wachovia gegen den Konkurrenten Wells Fargo verloren hat. Wachovia hätte einen hohen Bestand an Spareinlagen und Girokonten in die gemeinsame Firma mitgebracht und der Citigroup daher die Refinanzierung erheblich erleichtert.

Nicht absehbar war an diesem Freitag, welches Kreditinstitut überhaupt willens und in der Lage sein könnte, mit Citi zusammenzugehen. Das Wall Street Journal berichtete, Citi und die Investmentbank Morgan Stanley hätten im September Vorverhandlungen über eine Fusion geführt, dabei jedoch keine Ergebnisse erzielt. Bank-Chef Pandit hat den ersten Teil seiner Karriere bei Morgan Stanley verbracht. Auch über ein mögliches Zusammengehen von Citigroup mit Goldman Sachs wird in New York immer wieder spekuliert.

Sollte es nicht zum Komplettverkauf der Firma kommen, könnten auch einzelne Teile zur Disposition stehen, etwa das Kreditkartengeschäft oder der Wertpapierhändler Smith Barney. Citi war in den neunziger Jahren durch den Zusammenkauf vieler einzelner Finanzinstitute entstanden und hat seither Probleme gehabt, eine einheitliche Firmenkultur zu entwickeln.

© SZ vom 22.11.2008/ld/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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