Krankenversicherung:Experten fürchten drastische Beiträge

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Die Krankenversicherung könnte im Jahr 2060 ein Viertel des Gehalts ausmachen, warnen Versicherungsmathematiker. Der Grund dafür liegt nicht nur in der Alterung der Gesellschaft.

Von Herbert Fromme und Ilse Schlingensiepen, Köln

Die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung werden von derzeit 15,6 Prozent der Gehälter bis 2060 auf knapp 25 Prozent steigen, wenn die Politik nicht dringend die Effizienz im Gesundheitswesen verbessert. Davor warnen die Versicherungsmathematiker in der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV). Bei den privaten Krankenversicherern (PKV), deren Prämien unabhängig vom Gehalt sind, wäre eine ähnliche Steigerung zu erwarten: Die Beiträge würden sich im Extrem um das 3,4-Fache erhöhen, also mehr als verdreifachen. Sollten die Zinsen steigen, wäre es etwas weniger. "Wir müssen der Politik aufzeigen, was passiert, wenn sie nichts tut", sagte der DAV-Vorsitzende Guido Bader, im Hauptberuf Vorstand beim Versicherer Stuttgarter.

Ein Grund für den Trend ist die Alterung der Gesellschaft. Aber sie allein würde bis 2060 nur zu einem Beitragssatz von 16 bis 17 Prozent bei den Krankenkassen führen, sagte DAV-Vorstand Roland Weber, der auch im Vorstand der Debeka sitzt. Ein Treiber ist die "strukturelle Einnahmeschwäche". Weber erläuterte: "Sie tritt dann auf, wenn die Steigerung des Bruttoinlandsprodukts nicht zu einer gleichhohen Steigerung der Löhne führt." Außerdem wirkt der medizinisch-technische Fortschritt stark beitragssteigernd.

Besonders groß seien die Probleme in der gesetzlichen Pflegeversicherung. Dort könnte der Beitragssatz von heute 2,55 Prozent auf 8,5 Prozent im Jahr 2060 steigen. "Hier wirkt sich die Alterung stark aus, weil vor allem Ältere gepflegt werden müssen", sagte Weber. In der privaten Pflegeversicherung steigen die Beiträge im Extremfall um das 4,5-Fache, allerdings von einer vergleichsweise niedrigen Basis.

Die Mathematiker kündigten auch an, dass sie Vorschläge zum umstrittenen Thema Mitnahme der Alterungsrückstellung in der PKV machen wollen. Bislang können PKV-Versicherte die in jungen Jahren aufgebauten Altersrückstellungen nur zum Teil mitnehmen, wenn sie die Gesellschaft wechseln. Wer vor 2009 abgeschlossen hat, kann überhaupt nichts mitnehmen. Da das den Wettbewerb dämpft, ärgert es viele Politiker. "Wir halten die gegenwärtige Regelung nicht für die bestmögliche", sagte Weber. Die DAV prüfe verschiedene Modelle. Die Branche müsse gewappnet sein, wenn die Politik mit eigenen Lösungen kommt, sagte Weber.

© SZ vom 23.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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