Konzernspitze lenkt ein:Krisentreffen bei Siemens

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Bei Siemens wächst die Erwartung an die Konzernspitze, die Aufklärung der Korruptionsdelikte intern stärker voranzutreiben. Deswegen wird es nun einen Tag vor der Hauptversammlung der Siemens AG am 25. Januar eine Sondersitzung des Aufsichtsrates geben.

Markus Balser, Hans Leyendecker und Klaus Ott

Anlass ist für den Unmut des Aufsichtsrates ist die Ausweitung der Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft auch gegen den früheren Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung lenkte die Siemens-Führung in der Auseinandersetzung um eine Sondersitzung des Aufsichtsrates ein.

Am Freitag wurde bekannt, dass ein zusätzliches Treffen zur Aufarbeitung der Affäre noch vor der mit Spannung erwarteten Hauptversammlung des Konzerns am 25. Januar stattfinden soll. Als Termin ist den Angaben zufolge der 24. Januar vorgesehen.

Kein Kommentar von Siemens

Ein Siemens-Sprecher wollte diese Informationen nicht kommentieren. Aufsichtsräte des Konzerns hatten ein solches Treffen zuletzt bei Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer angemahnt.

Mitglieder des Kontrollgremiums wollen dabei klären, ob Vorstand und Wirtschaftsprüfer des Unternehmens stets mit der nötigen Konsequenz gegen Korruption vorgegangen sind.

Im Aufsichtsrat war der Unmut über die Schmiergeldaffäre bei Siemens zuletzt gewachsen. So hatte IG-Metall-Vizechef und Siemens-Aufsichtsrat Berthold Huber die Informationspolitik der Konzernführung kritisiert und dem Management gravierende Fehler im Kontrollsystem vorgeworfen.

"Absolut unerklärbar"

,,Für mich ist nach wie vor absolut unerklärbar, wie ein solches System über viele Jahre offenbar unbemerkt laufen konnte'', sagte ein Aufsichtsratsmitglied am Freitag der SZ.

Ähnlich hatte sich bei den Ermittlungen des Staatsanwaltschaft auch schon der frühere Siemens-Direktor Reinhard S. geäußert, der als eine der Schlüsselfiguren in diesem Verfahren gilt.

S. hatte für die Sparte Telekommunikation (Com) über Jahre hinweg schwarze Kassen organisiert; er saß zwischenzeitlich in Untersuchungshaft und legte ein umfassendes Geständnis ab.

Bei seinen Vernehmungen sagte der langjährige Siemens-Angestellte unter anderem, in den neunziger Jahren seien jährlich 250 Millionen Euro für sogenannte ,,nützliche Aufwendungen'' ausgegeben worden. Nach seiner Ansicht müssten die Vorstände darüber Bescheid gewusst haben. Solche Zahlen müssten überall auffallen.

Der frühere Direktor S. hatte die in der Schweiz und anderen Ländern angelegten Schwarzgeldkonten gemeinsam mit einem langjährigen Com-Angestellten betreut, der ebenfalls ein Geständnis ablegte.

Zahlreiche andere Mitarbeiter belastet

Beide belasteten bei ihren Vernehmungen durch die Staatsanwaltschaft zahlreiche andere Mitarbeiter bis hinauf in die Konzernspitze, darunter auch Neubürger, der im April vergangenen Jahres als Finanzvorstand ausgeschieden war.

Der langjährige Angestellte sagte unter anderem aus, er habe seinerzeit bei Siemens erfahren, dass Neubürger als Finanzvorstand über schwarze Kassen in Österreich informiert gewesen sei.

Nach bisherigen Ermittlungsergebnissen waren in den neunziger Jahren über geheime Konten in Salzburg und Innsbruck hohe Beträge aus dem Unternehmen geschleust worden. Allein über Salzburg seien bis zu 100 Millionen Euro pro Jahr geflossen, berichtete der frühere Angestellte den Fahndern.

Neubürger streitet Verwicklung ab

Neubürger hatte bei einer Vernehmung der Staatsanwaltschaft am Dienstag bestritten, in den Skandal verwickelt zu sein. Bereits im Dezember hatte der frühere Siemens-Finanzvorstand öffentlich erklärt, er und die anderen Konzernvorstände seien von der Führung der Sparte Com getäuscht worden. Der Finanzchef von Com habe stets beteuert, die Geschäfte seien in Ordnung.

Siemens prüft inzwischen fragwürdige Zahlungen bei Com seit 1999 in Höhe von 420 Millionen Euro. Nach Angaben von Reinhard S. bei der Staatsanwaltschaft sollen allein zehn Millionen Euro als Schmiergeld bei einem Auftrag für die Olympischen Sommerspiele 2004 in Athen geflossen sein.

Voraussetzung für Auftrag

Ein griechischer Siemens-Manager habe ihm, S., gesagt, er müsse das Verteidigungs-, das Innen-, das Sportministerium und ein weiteres Ressort bezahlen. Das sei die Voraussetzung dafür, dass der Auftrag für ein Geschäft ein Konsortium gehe, an dem Siemens beteiligt sei.

In Griechenland sei die Sparte Com erfolgreich gewesen. Dort seien zehn Prozent des Jahresumsatzes abgezweigt worden, um mit Sonderzahlungen neue Kunden zu gewinnen.

© SZ vom 13.01.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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