Konsum:Sag, wo die Rabatte sind

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Geiz ist geil: Die Deutschen haben es gern billig. Doch was Pfennigfuchser freut, ist für die Wirtschaft eine Gefahr.

Catherine Hoffmann

Gut möglich, dass die Elektronikmarktkette Saturn voreilig war, aber nun ist es zu spät. Das Unternehmen beendete im Oktober 2007 eine der erfolgreichsten Werbekampagnen der Geschichte. "Geiz ist geil" hat fünf Jahre dem Zeitgeist gehuldigt. Kreiert hat den Slogan 2003 Constantin Kaloff von der Hamburger Agentur Jung von Matt. Die Konsumstimmung war auf dem Tiefpunkt. Heute ist sie nicht viel besser. Auch die Philosophie, die während der langen konjunkturellen Flaute nach dem Platzen der New Economy herrschte, ist wieder in Mode: billig, billig, billig.

Rabatte freuen den Kunden, der Wirtschaft schaden sie. (Foto: Foto: dpa)

Die Deutschen im Konsumstreik - den Chefs von Möbelhäusern, Elektronikmärkten oder Textilgeschäften ist angst und bange. Die Prognosen für 2009 sind schlecht, schon das Weihnachtsgeschäft steht in Frage. Um zehn Prozent wollen die Bundesbürger ihr Budget für Geschenke verglichen mit dem Vorjahr kürzen, haben die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young erfragt. Viele Bürger stellen größere Anschaffungen zurück, berichtet die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Die Zahl der neu zugelassenen Pkw ist allein im Oktober um 8,2 Prozent gefallen - stärker als in den meisten anderen EU-Ländern. Und selbst die gehobene Kundschaft schaut mehr auf den Preis als früher, verkündet die Unternehmensberatung Roland Berger.

Geiz bleibt geil: Die Händler reagieren panisch - und liefern sich eine Rabattschlacht. Immer mehr Einzelhändler senken die Preise und folgen Discountern wie Aldi. Offenbar fürchten die Manager, dass die Leute ihr Geld zusammenhalten. Und sie geben die Preisvorteile weiter, die sie mit Lieferanten ausgehandelt haben. Nach der Welle der Preiserhöhungen in den vergangenen Jahren hat sich die Preissituation auf den Rohstoffmärkten nämlich deutlich entspannt.

Inflation lässt nach

Die Inflation lässt nach. Kletterten die Verbraucherpreise im Juli noch um 3,3 Prozent, nahmen sie im Oktober nur noch um 2,4 Prozent zu. Bald werde die Teuerungsrate unter zwei Prozent liegen, glauben Volkswirte. Es könnte noch tiefer gehen. Denn vieles wird günstiger. Besonders auffällig sind in den letzten Monaten die Preise für Computer, Butter und Musikdownloads zurückgegangen.

Die Wirtschaft steckt in der Krise, schon in den vergangenen Jahren sind die Löhne kaum gestiegen. Angesichts des schnellen und ungeahnt heftigen Abschwungs müssen viele Deutsche um ihren Arbeitsplatz fürchten. Siemens, Infineon und Hewlett-Packard haben schon angekündigt, dass sie Tausende Mitarbeiter in Deutschland entlassen wollen. Jede dritte Firma will Jobs streichen, meldet das Institut der deutschen Wirtschaft (IW).

Das ist die gängige Begründung für den schwachen Konsum. Bis zum Sommer mussten auch noch die hohen Preise als Erklärung herhalten. Doch die Furcht vor hoher Arbeitslosigkeit und schlechter Wirtschaftslage allein können die Konsumverweigerung nicht erklären: Im Aufschwung wie im Abschwung, über alle Konjunkturzyklen hinweg sparen die Deutschen mehr als andere Nationen.

Lesen Sie im zweiten Teil, wie Deutschlands Konsumenten in der Krise reagieren.

Wissenschaftlern ist es bis heute nicht gelungen, schlüssig zu erklären, warum die Menschen in verschiedenen Ländern ein ganz unterschiedliches Verhältnis zum Sparen und Konsumieren haben. Daraus schloss der US-Ökonom Barry Bosworth, dass die Unterschiede auch mit der Kultur, Psychologie oder Mentalität der Menschen zu tun haben müssten.

Hierzulande, so scheint es, gehört Pessimismus zur Nationalkultur, enthemmter Konsum ist nicht nach dem Geschmack der Deutschen. Das haben sie lieber den Amerikanern überlassen - man sieht ja, wie das endet. In Amerika rief George W. Bush nach den Anschlägen vom 11. September 2001 das Volk zum kollektiven Konsum auf - sie folgten.

Anders, wenn Deutschland in der Krise steckt: Sinkende Benzinpreise, geringere Heizkosten, mehr Gehalt - nichts hilft, niemand will fröhlich durch die Läden ziehen und Weihnachtsgeschenke kaufen. Schon unken Trendforscher, dass wir den Urlaub in Spanien bald durch Waldspaziergänge ersetzen, das Auto durchs Fahrrad und statt im Restaurant zu speisen, von Omas sparsamen Kochrezepten schwärmen. Kartoffelsuppe statt Perlhuhnbrüstchen.

Wer Arbeitslosigkeit fürchtet, spart

Sind die Deutschen ein Volk von Pfennigfuchsern? So klagen zumindest die Händler. Edeka-Chef Markus Mosa sagt in einem Interview mit Spiegel Online, dass "Kunden in Deutschland so preissensibel wie in kaum einem anderen Markt auf der Welt" seien. Deshalb ist der Preisdruck immens. Was für den Geizkragen Grund zur Freude ist, bereitet dem Unternehmer schlaflose Nächte, besonders die Angst vor der Deflation.

Wer heute fürchtet, morgen keine Arbeit mehr zu haben, der spart. Und wer heute weiß, dass morgen vieles günstiger zu haben ist, schiebt seinen Konsum auf. In der Rezession sinken die Ausgaben. Das drückt die Preise immer tiefer, bis sich vielleicht doch einer findet, der den neuen BMW, die Designerküche oder den Fernseher kauft.

Am Aktienmarkt wirkt der gleiche Mechanismus - nur schneller: Viele Investoren wollen ihre Papiere abstoßen oder sind gezwungen, Kasse zu machen. Doch es mangelt an Käufern, und so geraten die Kurse unter Druck. Aktienkurse, Rohstoff- und Immobilienpreise sind schon auf der Rutschbahn, die Verbraucherpreise könnten folgen.

© SZ vom 27.11.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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