Konsum:Hype ums Horn

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Einhörner wurden in letzter Zeit überall gesichtet, aber nun sind sie wieder out. Die Zuneigung zu dem mehr als 2500 Jahre alten Sagentier erreichte 2017 seinen Höhepunkt. Nun ist dir große Frage: Was kommt denn als Nächstes?

Von Lea Hampel

Auf Wurst, Klopapier und Bier, in Gewürzen und Gummibärchen - wer dieser Tage im Supermarkt unterwegs war, konnte so viele Einhörner entdecken, dass die schiere Anzahl der einzelnen Hörner bedrohlich wirkte, zumal in der typischen Kombination mit knalligem Pink.

Die Zuneigung zu diesem immerhin mehr als 2500 Jahre alten Sagentier hat 2017 einen Höhepunkt erreicht. Sie reicht so weit, dass nicht einfach das Tier selbst begeistert: ein Horn, noch dazu mit wiederbelebenden Kräften, viel Glitzer, Regenbogen und so, das scheint schön und gut zu sein. Die wirkliche Faszination beginnt aber da, wo das Wesen tierisch wird, bei seinen Fäkalien und Ausdünstungen. Und so gibt es in der buntesten aller Warenwelten, nämlich der für Einhornprodukte, Einhornpupse (als Marshmallows oder Raumerfrischer), Einhornkotze (als Duftkerzen oder Smoothies) und Einhornexkremente (regenbogenfarbene Kissen) zu kaufen.

Schuld an all dem ist Ritter Sport. Zum 1. November vergangenen Jahres hatte das Unternehmen die limitierte Einhorn-Edition mit weißer Schokolade und "Himbeer-Cassis-Regenbogen" angekündigt, daraufhin war der Server unter den Bestellungen zusammengebrochen und auf Ebay wurde die Tafel für mehr als 100 Euro angeboten. Damals wurde die Aktion als Marketingcoup gefeiert. Das Einhorn als Symbol sei ungewöhnlich, vermittle Kindheit und Glamour und erschließe neue Zielgruppen, sogar Eskapismus und politischer Protest wurde den Einhornfans attestiert.

Nun stellt sich trotz Glamour und Regenbogen heraus, dass für Einhörner die gleichen Regeln Anwendung finden wie für entfernte Tanten: "Willst du gelten, mach dich selten." Dass es das nicht getan hat, wird dem Einhorn zum Verhängnis. Dieser Tage verkündete ein Marketingexperte, der Hype ums Horn sei vorbei - zu beliebig tauche es auf. Wie wahr. War es einst in der Sage nur für Jungfrauen einzufangen, tritt es nun auf Unterwäsche, Kondomen und als Dildo in Erscheinung. Es steht also für das Gegenteil dessen, was es einst ausgemacht hat. Besagte Marketingexperten würden wohl sagen: Es hat seinen "unique selling point", sein Alleinstellungsmerkmal, verloren.

Die große Frage lautet nun: Wer folgt? Beim Drogeriemarkt dm hat man zwar den Dinosaurier ausgemacht. Viel logischer wäre jedoch der Wolpertinger. Ähnlich selten, ähnlich mythenumrankt - und für die Marketingmenschen erschlösse er sicher eine andere Zielgruppe als die Einhornfans. Ein entsprechendes Bier gibt es jedenfalls schon.

© SZ vom 17.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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