Konjunktur:Im Tal

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Ob Stahl künftig noch so fototauglich hergestellt wird? Ein Mitarbeiter steht im Stahlwerk der Salzgitter AG vor einer glühenden Roheisenpfanne. (Foto: Christophe Gateau/dpa)

Nach Bundesregierung und Sachverständigenrat senken auch die Wirtschaftsinstitute ihre Prognose für die deutsche Konjunktur.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Die Wirtschaftsforscher haben gerade erst tief Luft geholt, um ihre Prognose vorzustellen, da meldet sich schon Peter Altmaier zu Wort. Der Wirtschaftsminister von der CDU hat offenbar in die Zukunft geschaut, jedenfalls ist er seiner Sache sehr sicher. "Die Auftriebskräfte gewinnen wieder die Oberhand", verkündet Altmaier. Die Abkühlung des Wachstums werde "im Verlauf dieses Jahres allmählich überwunden". Natürlich nicht ohne Zutun der Bundesregierung und ihrer steuerlichen Erleichterungen, bemerkt er nebenbei.

Unsicherheit ist Gift für die Wirtschaft, Altmaier weiß das. Zumal es nach wie vor die privaten Haushalte sind, die das Wachstum nähren. Verlieren sie die Zuversicht, wird das schnell zur selbsterfüllenden Prophezeiung. Tatsächlich schauen aber auch die fünf Wirtschaftsforschungsinstitute, die zweimal jährlich die Lage im Auftrag des Wirtschaftsministeriums begutachten, nicht schwarz. Zwar seien weltweit Stimmung und Auftragseingänge zuletzt gesunken, heißt es in ihrer Gemeinschaftsdiagnose. "Allerdings deuten andere Indikatoren darauf hin, dass der Tiefpunkt der Konjunktur bereits erreicht sein könnte." So seien Aktienkurse und Rohstoffpreise zuletzt gestiegen, Risikoaufschläge dagegen gesunken. "Zudem ist das Konsumentenvertrauen in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften im Allgemeinen weiterhin hoch." So soll es auch bleiben.

Die Gefahr einer ausgeprägten Rezession sei eher gering, schätzen die Forscher

Zuletzt waren reihenweise die Prognosen nach unten korrigiert worden. Die Bundesregierung selbst hatte im Januar den Anfang gemacht, in ihrem Jahreswirtschaftsbericht schraubte sie die Erwartung von 1,8 auf 1,0 Prozent herunter. Ende März zog der Sachverständigenrat nach: Von 1,5 Prozent ging seine Prognose auf 0,8 Prozent herunter, aber auch das schon mit besseren Erwartungen für das nächste Jahr: 2020 könne die Wirtschaft wieder um 1,7 Prozent wachsen, urteilten die Sachverständigen. So ähnlich sehen das nun auch die Institute.

Demnach könnte die Wirtschaft in diesem Jahr um 0,8 Prozent wachsen - statt der 1,9 Prozent, die noch in der Herbstprognose in Sicht waren. Für das kommende Jahr erwarten die Institute dann wieder ein Plus von 1,8 Prozent, allerdings auch wegen der vielen Arbeitstage: 2020 ist ein Schaltjahr, mehrere Feiertage fallen auf Wochenenden. Allein 0,4 Prozentpunkte gehen auf das Konto der Mehrarbeit. "Der langjährige Aufschwung der deutschen Wirtschaft ist zu Ende", sagt der Vize-Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Oliver Holtemöller. "Die Gefahr einer ausgeprägten Rezession halten wir jedoch bislang für gering."

Das deckt sich mit allen bisherigen Prognosen, ebenso allerdings auch die Unsicherheit. Der Brexit bleibt weiter eine dunkle Gewitterwolke am Horizont, von der keiner weiß, wie sie am Ende ziehen wird und wo sie sich entlädt. Gleiches gilt für Handelsfragen, also den Streit zwischen den USA und China einerseits, die Gefahr amerikanischer Autozölle andererseits. So träfen drohende Zollerhöhungen gerade hiesige Autoexporte "erheblich", warnt das Gutachten. Obendrein hätten "sowohl der britische als auch der chinesische Absatzmarkt eine große Bedeutung für die deutschen Hersteller." Erstmals taucht auch die Debatte um die Umwelteffekte von Verbrennungsmotoren explizit in dem Gutachten auf. Diese könne sich "in einem Attentismus der Kunden niederschlagen und auch Umstellungen in Produktionsprozessen erzwingen, die nicht reibungslos verlaufen dürften". Da ist sie dann doch, die Verunsicherung: Verunsicherte Kunden könnten ihren Autokauf hinauszögern.

Um Arbeitsplätze dagegen müssen Verbraucher in aller Regel nicht bangen. Die Arbeitslosenquote dürfte in diesem Jahr weiter fallen, auf 4,8 Prozent. Allerdings werde sich der Aufbau neuer Jobs verlangsamen. Rechnen die Institute für dieses Jahr noch mit 430 000 neuen Erwerbstätigen, kommen im nächsten Jahr "nur" 265 000 hinzu. Die Arbeitslosenquote läge dann 2020 bei nur noch 4,6 Prozent. Diesen Wert hatte auch der Sachverständigenrat prognostiziert.

Weil sich damit die Nachfrage nach Arbeitskräften leicht entspannt, dürfte sich auch der Anstieg der Bruttolöhne verlangsamen. Stattdessen sorge aber die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung - Arbeitgeber zahlen wieder genauso viel ein wie Arbeitnehmer - und Steuerentlastungen dafür, dass die Nettolöhne um 4,6 Prozent wachsen.

Das dicke Ende aber könnte noch kommen, warnen die Wirtschaftsforscher. In den "fetten Jahren" habe die Politik etwa Rentenleistungen so ausgeweitet, dass sie strukturelle Haushaltsüberschüsse mittelfristig aufzehren könnten. Denn aus dem Aufkommen der Beiträge lasse sich das auf Dauer nicht finanzieren. "Dies", so warnt das Gutachten, "lässt Steuererhöhungen erwarten." Aber erst im nächsten Tal.

© SZ vom 05.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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