Kommentar:Heißt sie willkommen!

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Die Start-ups im Finanzbereich sind schwer im Kommen. Doch Deutschland braucht einen Masterplan für sie, angeführt von Berlin.

Von Meike Schreiber

Fünfzehn Jahre liegt das Desaster des Neuen Marktes nun zurück. Tausende Kleinanleger verloren damals Geld, weil junge Internetfirmen sie mit falschen Versprechungen in ihre letztlich wertlosen Aktien gelockt hatten. Seither lassen die Deutschen die Finger von Aktien. Und die Zockerei hat noch einen weiteren Kollateralschaden: Junge Entrepreneure werden hierzulande seither mit Skepsis beäugt.

Das gilt auch für jene Start-ups, die seit wenigen Jahren mit digitalen Anwendungen rund um das Bankgeschäft ihr Glück versuchen. Diese sogenannten Fintechs vereinen Finanzen und Technologie: Mit oft nützlichen und einfach zu handhabenden Apps erinnern sie die Deutschen daran, dass Finanzen Spaß machen können.

Rund 250 solcher Fintechs gibt es inzwischen in Deutschland. Einige von ihnen haben schwer zu kämpfen, andere gewinnen schneller Kunden als gedacht oder kooperieren mit etablierten Banken. Im weltweiten Vergleich aber ist die deutsche Szene übersichtlich. Und: Der weitaus größte Teil des für ihr Wachstum so wichtigen Wagniskapitals fließt in Fintechs in London, Singapur, Los Angeles oder Sidney. Während andere Finanzzentren massiv für ihren Standort werben, hat sich die deutsche Politik in einer Beobachterrolle eingerichtet. Man redet, lädt zu Gesprächsrunden. Die hessische Landesregierung will jetzt in Frankfurt ein Fintech-Zentrum einrichten. Immerhin.

Die bisherigen Vorstöße waren halbherzig. Was fehlt, ist ein Masterplan, angeführt von Berlin

Bislang jedoch wirken die Vorstöße halbherzig. Was fehlt ist ein Masterplan, angeführt von der Bundesregierung. Das strukturelle Problem nämlich, dass Deutschland traditionell ohnehin wenig Wagniskapitalgeber anzieht, gleichen sie bisher nicht ansatzweise aus.

In der Technologiebranche jedoch muss man groß denken, und vor allem muss man schnell sein. Es gewinnen jene Unternehmen, die rasch Kunden anlocken. Wer überlebt, genießt später zuweilen sogar eine monopolartige Stellung; Google oder Amazon haben es vorexerziert. Start-ups und Geldgeber, die zu früh Gewinne erwarten, bevor das Geschäft großflächig ausgerollt ist, werden daher kaum eine Chance haben.

Doch welche Rolle fällt der Politik dabei zu? Fragt man die Fintech-Unternehmer, geht es ihnen weniger um Subventionen als vielmehr um besseren Zugang zu Wagniskapital und auch darum, dass Firmengründungen erleichtert werden. Auch staatlich initiierte Fintech-Zentren sind hilfreich, denn bislang fehlt ein Ort für den Austausch von Aufsicht, Banken und Start-ups. Viel dringender aber: Sie wünschen sich eine ausgeprägtere - sagen wir Willkommenskultur - der Bankenaufsicht: Denn auch Fintechs müssen die Banken-Regulierung bewältigen, welche der Kreditvergabe, dem Zahlungsverkehr oder dem Geschäft mit Spareinlagen enge Grenzen setzen. Die meisten nehmen das ernst: Viele beantragen selbst eine Banklizenz oder arbeiten mit Banken zusammen. Weil sie aber zumeist keine eigene Rechtsabteilung haben, sind sie darauf angewiesen, dass sie die Aufsicht an die Hand nimmt und frühzeitig signalisiert, welche Geschäftsmodelle aufsichtsrechtlich unbedenklich sind.

Fintechs zu unterstützen, ist freilich kein Selbstzweck. Kaum eine andere Branche ändert sich derzeit so drastisch wie die Finanzbranche. Traditionelle Geschäftsmodelle sind bedroht, Tausende Jobs werden abgebaut, und die Zahl der Banken schrumpft. Auf den Trümmern der traditionellen Bankenlandschaft wächst etwas Neues. Deutschlands Anspruch sollte es sein, den Anschluss zu halten und Fintechs mit mehr als nur distanziertem Wohlwollen zu begleiten.

Der Erfolg des US-Zahlungsanbieters Paypal zeigt, dass smarte Techfirmen aus dem angelsächsischen Raum auch im Finanzbereich schnell einen Markt besetzen können. Sind die Fakten erst geschaffen, ist es teuer bis fast unmöglich, die verlorenen Marktanteile zurückzuerobern. Mehr noch: Auch Google und Facebook bieten bereits Bankdienstleistungen an.

Aber es geht auch um die Verbraucher, die vom Wettbewerb um Bankdienstleistung profitieren. Im Online-Banking zum Beispiel hat sich allein in den vergangenen Monaten mehr getan als in den vergangenen fünf Jahren zusammen. Und bei wem sich in Sachen Fintechs doch ein Déjà-vu zum Neuen Markt einschleicht, der sei daran erinnert: Es ist normal, dass Start-ups auch einmal scheitern. Solange dabei Kleinanleger außen vor bleiben, ist das kein volkswirtschaftliches Drama.

© SZ vom 18.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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