Kohleausstieg:Die Lausitz ist anders

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Eine von Greenpeace in Auftrag gegebene Studie zeigt, dass in verschiedenen Revieren die Zustimmung zum Braunkohleausstieg stark variiert. Während im Rheinland eine Mehrheit der Bevölkerung den Kohleausstieg befürwortet, sind es in der Lauitz nur 43 Prozent. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Eine Mehrheit der Deutschen ist laut einer Befragung für den Kohleausstieg. Im Osten verhält es sich aber anders.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Beim Kampf um die Tagebaue agiert der Verein "Pro Lausitzer Braunkohle" nicht gerade zimperlich. Vor einigen Jahren kaperten die Aktivisten sogar die Greenpeace-Zentrale in Hamburg. Meterlange Transparente hielten sie vor die Fassade: "Wir lassen die Lausitz nicht ausradieren!" Der Umweltverband, der sich seit Jahren für ein Ende des Kohlestroms einsetzt, ist aus Sicht des Lausitzer Vereins ohnehin nur ein "Umweltkonzern". Eine Umfrage der Universität St. Gallen zeigt nun allerdings, dass dessen Vorstellungen durchaus Anklang finden.

Die Schweizer Uni hat im Auftrag von Greenpeace erhoben, wie die Deutschen zu einem Ende für die Kohle stehen, und das noch einmal nach den Braunkohlerevieren in der Lausitz und im Rheinland aufgeschlüsselt. Naturgemäß stellt sich so ein Abschied anders dar, wenn die eigene Nachbarschaft, womöglich der eigene Job betroffen ist. Es ist eine aufwendige Untersuchung, sie liegt der Süddeutschen Zeitung vor.

Das Ergebnis: Drei Viertel der 2100 Befragten fänden es richtig, wenn die Bundesregierung "unverzüglich ein Gesetz zum schrittweisen Kohleausstieg" beschließt. Das passt zu den Bestrebungen der Bundesregierung, die Zukunft der Kohle in einer eigenen Kommission aushandeln zu lassen; auch mit Blick auf die betroffenen Regionen. Geht alles gut, soll die Kohlekommission diesen Mittwoch das Kabinett passieren. Sie soll ein Enddatum für die Kohlekraftwerke festlegen, aber auch den Strukturwandel in den Revieren vorbereiten.

Dort aber gibt es riesige Unterschiede: So findet sich selbst im Rheinland, dem größten Braunkohle-Revier der Republik, eine Mehrheit für den Kohleausstieg; und das sogar schon bis 2030. In der Lausitz aber denkt man anders. Nur 43 Prozent befürworten ein Ausstiegsgesetz, 36 Prozent sind strikt dagegen. Wenn die Region aber doch Abschied nehmen soll, dann bitte erst 2040.

Viele der Unterschiede lassen sich leicht herleiten, sie liegen vor allem in der unterschiedlichen Kohle-Abhängigkeit beider Regionen. Während im Rheinland auch viele andere Branchen florieren, und in der Braunkohle nur ein Bruchteil aller Arbeitnehmer beschäftigt ist, sind die Tagebaue in der strukturschwachen Lausitz die so ziemlich letzten industriellen Arbeitgeber, die noch geblieben sind. Zu DDR-Zeiten waren einst 100 000 Menschen mit der Erzeugung von Strom aus Braunkohle beschäftigt, heute ist es nicht einmal mehr ein Zehntel.

In der Lausitz sind die Tagebaue die so ziemlich letzten verbliebenen Arbeitgeber

Das spiegelt sich auch in den Feinheiten der Umfrage wieder. Unter den Befragten jenseits der 60 finden sich in der Lausitz mehr Gegner als Befürworter eines Kohleausstiegs. Unter den jungen Erwachsenen ist es dagegen genau umgekehrt. Ganz anders ist es auf Bundesebene. Zwar sind hier alle Altersgruppen mehrheitlich für einen schnellen Ausstieg. Die größte Zustimmung kommt allerdings von den Senioren: 78 Prozent aller Befragten über 60 wollen zügig raus. Unter den jüngeren sind es 71 Prozent.

Gefragt wurde auch, was der erste Gedanke sei, der den Befragten beim Stichwort "Kohlekraftwerk" in den Sinn komme. Wieder sind die Ergebnisse ähnlich, was die Antworten aus dem Rheinland und dem Rest der Republik angeht. Rauch, Luftverschmutzung, Dreck - diese Assoziationen stehen weit oben. In der Lausitz dagegen gibt es einen anderen Begriff, der alles überragt: Arbeitsplätze. Es wird schnell deutlich, was die schwierigste Aufgabe der Kohlekommission werden wird - zumal in diesen Regionen die AfD einigen Zulauf erfährt. In den betroffenen sächsischen Wahlkreisen wurde sie stärkste Kraft, in den brandenburgischen zweitstärkste.

Das passt in der Hinsicht, dass die AfD den Klimawandel für Geschwafel und Klimapolitik für überflüssig hält. Weniger passt es allerdings zu den Vorstellungen der eigenen Wähler. Denn es sind nicht nur die Anhänger von Grünen und SPD, die - wenig überraschend - mehrheitlich für einen Kohleausstieg sind. Auch 55 Prozent der AfD-Wähler, zeigt die Befragung, wollen lieber raus aus der Kohle.

© SZ vom 29.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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