Kohle:Rauchende Schlote

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CO₂-Ausstoß wird teuer: Braunkohlekraftwerk im südbrandenburgischen Jänschwalde. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Strenge Vorgaben für Kohlekraftwerke entzweien die Regierung. Gabriel will eine Entscheidung erzwingen.

Von Markus Balser, Berlin

Die Bundesregierung plant nach Angaben von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) eine rasche Verschärfung der Klimavorgaben für Kohlekraftwerke. Bereits am Mittwoch der kommenden Woche soll der Koalitionsausschuss über zwei Vorschläge entscheiden. Neben der umstrittenen Klimaabgabe für die ältesten Kraftwerke soll dann auch ein alternatives Szenario zur Einsparung von Emissionen zur Wahl stehen, das den Kohlestandorten unter den Bundesländern entgegenkommt, für die Politik aber teurer werden könnte.

Nach bisherigen Plänen will das Wirtschaftsministerium die Energieversorger durch eine Abgabe dazu bringen, schneller auf Kraftwerke mit hohem Treibhausgas-Ausstoß zu verzichten. Hintergrund ist das Ziel der Bundesregierung, den CO₂-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu verringern. Um das Ziel zu erreichen, soll die Energiebranche in diesem Zeitraum insgesamt zusätzlich 22 Millionen Tonnen einsparen. Die Branche selbst hatte die Abgabe in den vergangenen Monaten mit allen Mitteln bekämpft. Auch die betroffenen Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt gingen auf die Barrikaden.

Unternehmen, Beschäftigte, Betriebsräte und Gewerkschaften hätten "mit nachvollziehbaren Argumenten" darauf hingewiesen, dass es zu Arbeitsplatzverlusten in den Braunkohleregionen kommen könne, sagte Gabriel am Mittwoch bei einem Energiekongress in Berlin. Er habe deshalb mit dem Vorsitzenden der Gewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, und dem nordrhein-westfälischen Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) einen Alternativvorschlag zum Erreichen des Klimaziels erarbeitet. Dieser beruht auf dem Vorschlag der Gewerkschaft, lieber schrittweise einzelne Kraftwerke stillzulegen, als alle mit einer Klimaabgabe zu belasten.

Demnach sollen zuerst alte Steinkohlekraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) stillgelegt und dafür moderne Gas-KWK-Anlagen errichtet werden. Daraus ergebe sich eine Einsparung bis 2020 von vier Millionen Tonnen CO₂. Durch die schrittweise Stilllegung von Braunkohlekraftwerken mit einer Leistung von mindestens 2,7 Gigawatt würden von 2017 an weitere 12,5 Millionen Tonnen CO₂ eingespart. Die restlichen 5,5 Millionen Tonnen müssten über neue Maßnahmen eingespart werden. "Das allerdings hat einen Preis", sagte Gabriel. "Nämlich die Bezuschussung dieser Instrumente aus dem Bundeshaushalt."

Mit dem Schachzug setzt der Wirtschaftsminister den Koalitionspartner unter Druck

Mit dem Schachzug, zwei Alternativen zur Wahl zu stellen, setzt Gabriel den Koalitionspartner unter Druck. Vor allem die CDU in Nordrhein-Westfalen, dem wichtigsten deutschen Kohlestandort, hatte sich vehement gegen die Abgabe ausgesprochen. Die Alternativlösung bedeutet wegen der Förderung neuer Klimainstrumente höhere Kosten für den Bund und bedürfte der Zustimmung von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

Wie angespannt die Stimmung in der Koalition beim Klimaschutz nach den Beschlüsse von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den G-7-Staatschefs in Elmau ist, ließ Gabriel auf seiner Rede beim Energiekongress des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft durchblicken. "Ich wünsche mir auch mal, dass ich mich mit sechs Kumpels treffen kann und eine Zahl für das Jahr 2100 festlege und mich dann für diese Zahl abfeiern lasse . . . vor allem, wenn man das dreimal hintereinander macht und das jedes Mal als Erfolg gilt."

Im Streit um neue Stromtrassen sucht die Bundesregierung einen Kompromiss mit Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Er soll den Widerstand bei zwei wichtigen Stromautobahnen von Nord nach Süd brechen. Der sogenannte Ost-Link soll auf einer bestehenden Trasse nach Bayern geführt werden, davon die letzten Kilometer als Erdverkabelung. Auch bei der Hauptschlagader der Energiewende, dem 800 Kilometer langen Sued-Link, ist Gabriel zu Änderungen bereit.

© SZ vom 25.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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