Angeblich, so erzählt man es sich in der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), geht die ganze Chose auf einen alten Streit mit dem Gesundheitsministerium zurück. Die Ärzteschaft drängte seit Ende der 90er-Jahre darauf, in die neue Hauptstadt umziehen zu dürfen. Doch weder Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) noch ihre Nachfolgerin Ulla Schmidt (SPD) wollten ihnen die Erlaubnis geben, sich in Berlin eine neue Repräsentanz zu bauen. Also wählten die Ärzte einen Umweg. Die Apotheker und Ärztebank gründete eine Tochter, die Apo KG. Ziel des Unternehmens: es sollte das neue Bürogebäude der Ärzteschaft in Berlin errichten und dann an die KBV vermieten.
Diese Entscheidung verfolgt die KBV immer noch. Denn im Zuge der folgenden Immobilienrochaden ist offenbar vieles schief gelaufen, womöglich war einiges davon sogar rechtswidrig. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung ist eine im September des vergangenen Jahres in Auftrag gegebene Sonderprüfung auf zahlreiche Ungereimtheiten gestoßen. So habe die KBV die Apo KG im Jahr 2010 übernommen, ohne dass das dafür zuständige Aufsichtsgremium, die Vertreterversammlung, einen dazu formal notwendigen Beschluss fasste. Eine Risikoprüfung der Gesellschaft, die mit 4,7 Millionen Euro in den Miesen steckte, habe es nicht gegeben. Auch habe die KBV beim Gesundheitsministerium nicht nachgefragt, ob sie das Geschäft überhaupt abschließen dürfe.
Es ist nicht einmal sicher, ob die Übernahme rechtswirksam ist
Im Endeffekt, so fassen die Prüfer sinngemäß zusammen, sei nicht mal sicher, ob die Übernahme überhaupt rechtswirksam ist. Die Rede ist von einer schwebenden Unwirksamkeit. Mit den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, die der KBV als Körperschaft des öffentlichen Rechts auferlegt sind, sei das Geschäft jedenfalls nicht zu vereinbaren gewesen.
Das Gutachten der Prüfer liegt seit November vor und wird bislang unter Verschluss gehalten. Die Vorgänge fallen in die Amtszeit des ehemaligen KBV-Chefs Andreas Köhler. Die Prüfer sollen ihn den Angaben nach für viele der Ungereimtheiten verantwortlich machen. Köhler wollte sich nicht zu den Aussagen äußern. Auch die KBV verwies auf laufende Verfahren.
Strafanzeige des Ministeriums und Durchsuchung von Büros
Am Montag hatten Beamte der Berliner Staatsanwaltschaft Gebäude der KBV in Berlin Tiergarten durchsucht. Sie stellten dabei Emails und Dokumente sicher. Die Staatsanwaltschaft ermittele wegen des Verdachts der Untreue in Millionenhöhe, sagte ein Sprecher. Elf Personen stünden unter Verdacht. Ob es dabei auch um die Immobiliengeschäfte der Apo KG geht, ist unklar. Das Gesundheitsministerium hatte im Dezember bei der Staatsanwaltschaft Anzeige gegen Köhler erstattet, weil dieser Mietzuschüsse von gut 95 000 Euro zu Unrecht erhalten habe. Eine ähnliche Anzeige der KBV führte jüngst zu einem Urteil, wonach Köhler den Betrag an seinen ehemaligen Arbeitgeber zurückzahlen muss.
Die KBV ist eine der wichtigsten Institutionen im Gesundheitssystem. Sie vertritt etwa 165 000 niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten. Ihre Aufgabe ist es, die medizinische Versorgung in Deutschland sicherzustellen. Sie versteht sich aber auch als Interessensvertretung der Ärzte. und wird von Beiträgen ihrer Mitglieder finanziert.
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Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Verdachts auf Untreue gegen die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Probleme gab es aber auch schon vorher.
Laut SZ-Informationen schrieb die Apo KG Verluste, weil bei der Entwicklung der Berliner Immobilien hohe Kosten aufgelaufen seien. Diese seien nicht nur durch die KBV-Gebäude entstanden. Die Apo KG kümmerte sich auch um die Immobilie gleich daneben, die nun der Gemeinsame Bundesausschuss im Gesundheitssystem nutzt, sowie um ein weiteres anliegendes Grundstück. Zudem sind nach den Angaben mit der KBV Mieten vereinbart worden, die nicht kostendeckend waren.
Gesundheitsminister Gröhe fährt einen härteren Kurs gegen die KBV
Nach Erkenntnissen der Prüfer soll der damalige KBV-Chef Köhler der Apo KG vorher, aber auch nach der Übernahme sogenannte Mieterkredite eingeräumt haben, um sie über Wasser zu halten. Außer einem Beschluss der KBV-Vertreterversammlung 2006 habe es keine Genehmigung mehr für die Darlehen gegeben, heißt es weiter. Vielmehr habe der Vorstandschef die Kredite im Alleingang gewährt.
Weil die Darlehen auch für die KBV-fremden Bauprojekte galten, habe dies aber zudem gegen die gesetzlichen Auflagen für die KBV verstoßen, meinen die Prüfer laut Angaben. Sie hätten die Summe der Kredite auf insgesamt 57,3 Millionen Euro beziffert.
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Angeblich bekam Andreas Köhler 96 000 Euro Mietkostenzuschuss: Das Gesundheitsministerium vermutet "Untreue in besonders schwerem Fall".
Um die Übernahme der Apo KG durch die KBV zu rechtfertigen, soll Köhler dem Ministerium später mitgeteilt haben, dass rasch gehandelt habe werden müssen. Aus diesem Grund habe die KBV auch das Ministerium nicht informiert. Tatsächlich deutet laut Gutachten vieles darauf hin, dass eine Insolvenz der Apo KG nicht ohne wirtschaftlichen Schaden für die KBV hätte ablaufen können. Später hat die KBV die Apo KG erneut vor dem Untergang gerettet. Um eine Insolvenz im Jahr 2012 zu verhindern, habe die KBV erklärt, ihre Kredite nachrangig zu besichern. Das heißt, sie werden bei einer Pleite erst nach anderen Forderungen berücksichtigt.
Die Vorgänge um die Apo KG sind bereits 2012 durch das Wirtschaftsprüfer-Unternehmen ETL überprüft worden. Dieses kam damals zu der Erkenntnis, dass die KBV die Darlehen gewähren durfte. Unter Berufung auf das Gutachten hatte das Bundesgesundheitsministerium die Vorgänge um die Apo KG bislang als unschädlich eingestuft und dies auch in mehreren Antworten auf schriftliche Anfragen erklärt.
Gesundheitsminister Hermann Gröhe hat sich aber offenbar Ende des vergangenen Jahres entschlossen, einen härteren Kurs gegen die KBV zu fahren. Die Anzeige gegen Köhler jedenfalls spricht dafür.