Luftverkehr in den USA:Jet Blue Airways zittert vor Investor Carl Icahn

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Eine Maschine der US-Fluggesellschaft Jet Blue auf dem Flughafen Denver. (Foto: David Zalubowski/AP)

Der US-Milliardär und Trump-Vertraute schlachtete einst die berühmte Fluglinie TWA aus. Nun steigt er bei einer kriselnden Billigfluggesellschaft ein, und die Aufregung ist groß.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Am Montagmorgen war Joanna Geraghty, 51, zum ersten Mal als neue Chefin ins Büro der New Yorker Fluggesellschaft Jet Blue Airways gegangen. Sie konnte da schon ahnen, dass auf sie ein Höllenjob wartet - Jet Blue muss nach verlustreichen Jahren unbedingt wieder Gewinne schreiben. Aber an wichtigen Flughäfen hat die Airline Marktanteile verloren, musste eine Allianz mit American Airlines aufgeben und dann hat auch noch ein Gericht die Übernahme der Billigairline Spirit Airlines verboten, durch die Jet Blue schneller hätte wachsen können. Keine einfachen Zeiten also und keine einfachen Antworten in Sicht.

Als Geraghty am Abend ihr Büro wieder verließ, war klar, dass der Job noch viel komplizierter werden würde, als sie bis dahin ahnen konnte. Denn: Die Investmentfirma Icahn Enterprises hatte gerade bestätigt, dass sie vor etwa einen Monat in mehreren Tranchen 9,9 Prozent der Jet-Blue-Anteile gekauft hat und deswegen nun auch gerne im Verwaltungsrat vertreten sein möchte.

Was ist der Hintergrund? Der Name Icahn steht in der amerikanischen Luftverkehrsindustrie vor allem für den Niedergang der berühmten Trans World Airways (TWA), einst neben Pan American die große Marke der Branche. Allerdings nur solange, bis Carl Icahn das Unternehmen ruinierte.

Carl Icahn, mittlerweile 87 Jahre alt, ist seit vielen Jahrzehnten eine der schillerndsten Figuren der amerikanischen Investmentszene. Es gibt gefühlt kaum eine große Firma, an der er nicht irgendwann beteiligt war und für Stress gesorgt hat: U.S. Steel, Texaco, Time Warner, Motorola, Yahoo, Apple, eine Reihe von Casinos vor allem im Bundesstaat Nevada. Der Multimilliardär galt als Vorreiter der "Corporate Raider" - also Investoren, die ihre Beteiligungen ausschlachteten, um das eigene Vermögen zu vergrößern. Donald Trump, den er im Wahlkampf 2016 unterstützte, hatte Icahn ursprünglich als Finanzminister vorgesehen. Dann ging der Job doch an Steven Mnuchin. Icahn blieb eine Weile Trumps Berater - beide kannten sich lange aus New York.

Kaum einer in der Luftfahrtbranche bedauerte Icahns Rückzug

1985 war Icahn mit Unterstützung der Gewerkschaften bei TWA eingestiegen. Doch ihre Hoffnungen wurden enttäuscht. Icahn verkaufte profitable Unternehmensteile - die Strecken nach London gingen 1991 für fast eine halbe Milliarde US-Dollar an United Airlines und trotz des Erlöses musste TWA 1991 Insolvenz anmelden. Icahn verließ TWA 1993 nach der Restrukturierung, aber nicht ohne einen für TWA fatalen Deal: Sein Reisebüro Karabu durfte zehn Jahre lang TWA-Flugtickets mit 45 Prozent Rabatt kaufen und weitervertreiben. Für die Airline waren damit Gewinne praktisch ausgeschlossen, während Icahns Vehikel florierte. TWA ging 1995 ein zweites Mal in die Insolvenz. 2001 übernahm American Airlines die einst große Airline.

Mehr als 30 Jahre lang also war Icahn nicht mehr an einer Airline beteiligt - und angesichts der TWA-Geschichte gibt es kaum einen in der Branche, der das bedauerte. Doch nun bei Jet Blue war die Gelegenheit offenbar zu gut, um sie zu ignorieren. Die Aktie hatte 50 Prozent ihres Wertes verloren, weil sich die Firma unter ihrem bisherigen Chef Robin Hayes heillos in Plänen, Billiganbieter Spirit für 3,8 Milliarden Dollar zu übernehmen, verhedderte. Icahns übliche Vorgehensweise in diesen Fällen: Billig Anteile kaufen, über den Verwaltungsrat Druck machen, dem Management eine neue Strategie aufzwingen und irgendwann mit Gewinn verkaufen.

Im Fall von Jet Blue könnte seine Rechnung sogar aufgehen, wenn es Geraghty gelingt, die Firma in ihren wichtigsten Märkten New York, Boston und Florida zu stärken und profitabel zu machen. Und wer weiß, vielleicht gewinnt Icahn dann ja noch mehr Gefallen an Airlines und schaut sich auch noch andere an. Ein Insider, der auch Icahn kennt, spricht allerdings aus, was wohl viele denken: "Ich hoffe nur, er versucht nicht wieder das zu tun, was er bei TWA getan hat."

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