Mehr als 140 Feuerwehrmänner, Ingenieure und andere freiwillige Helfer setzen im havarierten Atommeiler Fukushima-1 in diesen Tagen ihr Leben aufs Spiel, um das Kraftwerk wieder unter Kontrolle zu bekommen. Schutzanzüge sind dabei das Einzige, was die verbliebenen Arbeiter von der strahlenden Umgebung abschirmt.
Doch mit dünnen Papierüberzügen, die bei uns für ein paar Euro zu haben sind, ist ihnen nicht geholfen. Die ABC-Schutzanzüge, die sie brauchen, sind Hightech-Geräte, die nur ein gutes Dutzend Firmen auf der Welt herstellen. "Die von uns produzierten Anzüge schützen vor Berührung oder Inhalation radioaktiver Kontamination", sagt Marcel Kunz, Manager bei der Pedi AG in der Schweiz. Verseuchte Luft und verstrahlte Teilchen sollen damit von den Arbeitern abgehalten werden.
Auch bei der Firma Vitmo in Esslingen werden solche Ganzkörperanzüge hergestellt, wie sie etwa in deutschen Atomkraftwerken zum Einsatz kommen. "Das ist ein gebläsebelüfteter Vollschutzanzug. Innen liegt ein Gebläse, mit dem die Luft zirkulieren kann und einen leichten Überdruck entstehen lässt", erklärt Inhaberin Gabriele Bartel-Lingg.
Der Trick: Man baut einen Überdruck auf, der zu der Außenhaut des Anzugs eine weitere Barriere durch die zirkulierende Luft schafft. "Damit sieht man aus wie ein aufgepustetes HB-Männchen", sagt sie.
Es braucht immer zwei, um in einen solchen Anzug zu steigen: "Das ist eine Hülle aus einem Guss - Füße, Handschuhe, Kopfteil und Visier sind integriert." Am Rücken wird der Anzug verschlossen. Von einem zweiten Mitarbeiter, der gleichzeitig prüft, dass die Ganzkörperhülle zu und dicht ist. Ein Problem gibt es allerdings, mit dem wohl auch die Techniker derzeit in Fukushima zu kämpfen haben: "Vor Strahlung und Teilchen kann man sich zu einem gewissen Grad schützen", sagt Bartel-Lingg. Aber: Geht es in die Hitze hinein, dann hilft gar nichts mehr. "Das ist wie ein Mal Hiroshima."
Alpha, Beta und Gamma - das sind die drei Arten von Strahlung, die radioaktive Stoffe aussenden. Vor Alphastrahlung schützen die Anzüge, sagt Jürgen Henniger, Leiter der Arbeitsgruppe Strahlungsphysik des Instituts für Kern- und Teilchenphysik der Technischen Universität Dresden. "Die Anzüge bestehen aus festen, gasundurchlässigen und relativ chemikalienbeständigen Plasten. Bedingt schützen sie auch vor weicher Betastrahlung und verhindern so Schädigungen der Haut." Gammastrahlen hingegen kann nach seinen Worten fast nichts aufhalten. Sie sind es, die zum Strahlentod führen können.
Dicke Bleiwesten bräuchte man, um diese Gammastrahlung abzuwehren - "aber damit kann man nicht arbeiten", sagt ein Sprecher der Firma Kärcher, die ebenfalls Schutzanzüge produziert.
Die Alphastrahlung ist nach seinen Worten am leichtesten abzuwehren, dafür reichen auch gummierte Anzüge aus Baumwolle oder Kunstfasern. Um im Inneren eines Kernkraftwerks in der strahlenden Umgebung zu arbeiten, braucht es allerdings ganze Systeme. Die werden hergestellt aus luftundurchlässigen Kunststoffen wie PVC oder Ethyl-Vinyl-Acetat, sagt der Schweizer Kunz. Die Kunststoffe werden übereinander laminiert, "das fühlt sich an wie eine dicke Plane", beschreibt Bartel-Lingg.
Unter den Anzug gehört Funktionsunterwäsche, denn es wird warm in der Plastik-Pelle. "Man kann nicht den ganzen Tag in einem solchen Anzug bleiben, sondern höchstens zwei oder drei Stunden", sagt die Herstellerin. Das muss der Körper einerseits mitmachen, andererseits bringen die Akkus, die die Gebläse antreiben, noch nicht mehr Leistung und die Luft wird schließlich knapp.
Das betont auch TU-Experte Henniger: "Das Problem ist die Versorgung mit Atemluft bei den Vollschutzsystem und die Haltbarkeit der Filter bei den Filtersystemen." Zusätzlich braucht es eine Dekontaminationsdusche und einen Reinraum, um die Anzüge zu wechseln oder in die Alltagskleidung - doch es ist unklar, ob das in Fukushima zur Verfügung steht.
Billig ist die Schutzkleidung nicht: "Ein Anzug kostet zwischen 120 und 180 Euro, dazu braucht man das Gebläse, den Akku und Handschuhe", sagt Herstellerin Bartel-Lingg. "Ein ganzes System kostet 2800 bis 3500 Euro, dazu gibt es noch verschiedene Extras wie etwa Kühlwesten."
Auch beim Schweizer Hersteller Pedi summieren sich die Kosten: "Je nach Ausführung kosten unbelüftete Modelle für den Einsatz mit einer Maske zwischen 40 und 60 Euro, ein belüfteter Anzug mit Luftverteiler-System bis zu 300 Euro", sagt Kunz. Systeme wie ölfreie Kompressoren, Luftaufbereitungsstationen oder Sicherheitskupplungen kommen dazu.
In Deutschland und dem europäischen Ausland gehören die Anzüge vielerorts in Katastrophenschutz-Ausrüstungen, sowohl im militärischen als auch im zivilen Bereich. "Das Technische Hilfswerk, das Rote Kreuz, die UN, Streitkräfte und Kernkraftwerksbetreiber decken sich regelmäßig vorsorglich ein", sagt der Kärcher-Sprecher.
Japan zählt bei den Unternehmen nicht zum Kundenkreis, denn "die Anzüge werden im Land selbst produziert", sagt Kunz. Allerdings könne man "pragmatisch" liefern, wenn der Bedarf bestehe. "Die Nachfrage hat angezogen in den letzten Tagen", heißt es aus dem Hause Kärcher - vor allem von Privatleuten aus Deutschland und dem Ausland.