Italienischer Huthersteller Borsalino:Gott behüte!

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Hut tragen mit Stolz und Würde: Humphrey Bogart und Ingrid Bergman im Filmklassiker "Casablanca". (Foto: Warner Bros.)
  • Der Hutmacher Borsalino ist in wirtschaftlichen Schwierigkeiten.
  • Zwar ist die Nachfrage nach Hüten der Traditionsmarke gestiegen - doch wegen obskurer Geschäfte des Investors Marco Marenco gibt es Verluste. Er wird per Haftbefehl gesucht.

Von Thomas Steinfeld, Venedig

Ein Hut besitzt viele Vorzüge. Er wärmt den Schädel, was um so plausibler sein müsste, je unbehaarter die Kopfhaut ist. Er schützt die Frisur, weswegen es manchmal Einheiten aus Haartracht und Hut gibt. Er ersetzt, wenn man beide Hände braucht oder in engen Gassen unterwegs ist, den Regenschirm. Er verschattet, was nicht sein geringster Vorzug ist, den Blick, sodass der Mensch, der ihn trägt, für sein Gegenüber zu einem Geheimnis wird.

Und er verleiht seinem Träger eine Silhouette: Das rundliche, zumindest an den Ohren eher unförmige Ding, das die Menschen auf ihrem Hals tragen, erwirbt mit einem guten, eleganten Hut zuweilen eine überzeugende Form. Und in den vergangenen Jahren, als sich die Herrenmode dem sträflingshaft kahlgeschorenen Schädel zuwandte, sah es manchmal sogar so aus, als kehrte der Hut als fester Bestandteil der Oberbekleidung zurück.

Wachsendene Nachfrage, dennoch steigen die Verluste

Angesichts dessen überrascht die Nachricht, die jetzt aus Alessandria, einer Kleinstadt im Piemont, kommt: Dort ist die Firma Borsalino, neben der amerikanischen Konkurrenz Stetson der berühmteste Hersteller von Hüten auf der Welt, in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Sie sind so groß, dass das Unternehmen nun Gläubigerschutz beantragte, unter Zwangsverwaltung gestellt wurde und gegenwärtig nach einem Investor sucht: Nach Angaben der italienischen Tageszeitung La Stampa musste die Firma im Jahr 2013 einen Nettoverlust von fast 22 Millionen Euro hinnehmen, bei einem Umsatz von lediglich gut elf Millionen Euro - und das, obwohl die Nachfrage nach den teuren Hüten (der Einstiegspreis liegt bei 300 Euro) von Borsalino in jüngerer Zeit sogar gestiegen war. Dies nicht zuletzt, weil einige Modell aus dem Sortiment unter orthodoxen Juden beliebt wurden.

In der Heimatstadt des Unternehmens eröffnete Borsalino im vergangenen November sogar das ersten "Outlet" in der Geschichte der halbindustriellen oder industriellen Verfertigung von Hüten. Zuletzt hatte das Unternehmen, mangelnder Zahlungsfähigkeit wegen, Schwierigkeiten, ausreichende Mengen Unterwolle von Kaninchen zu beschaffen.

Obskure Geschäfte eines Investors

Grund der finanziellen Verwerfungen scheinen bislang eher obskur wirkende Geschäfte des Investors Marco Marencos zu sein. Dieser trat in den vergangenen Jahren immer wieder in der Umgebung mehr oder minder spektakulärer Firmenuntergänge auf, so beim Bankrott des Lebensmittelkonzerns Parmalat (2003) oder bei der Insolvenz des österreichischen Gashändlers CE Gas Marketing & Trading (2012). Formell gehört die Mehrheit der Anteile an Borsalino einer angeblich hauptsächlich in der Energiebranche tätigen Investmentgesellschaft namens Fisi, die ihrerseits von einer Firma nahezu gleichen Namens in Frankfurt kontrolliert wird, hinter der wiederum Marco Marenco stehen soll. Über eine weitere Firma soll er darüber hinaus noch einmal mit 17,4 Prozent an Borsalino beteiligt sein.

Marco Marenco jedoch ist, seitdem er von den Behörden in Alessandria und Asti wegen Insolvenzverschleppung und Steuerhinterziehung per Haftbefehl gesucht wird, seit mehr als einem halben Jahr verschwunden. Er soll sich zuletzt in der Schweiz aufgehalten haben. Pläne, aus Borsalino, des bekannten Namens wegen, ein Franchising-Unternehmen für Modeartikel auch jenseits von Hüten zu machen, hatten sich schon vor Jahren zerschlagen.

Borsalino: einst ein Musterbetrieb für das neue, moderne Italien

Die Firma Borsalino wurde im Jahr 1857 gegründet, von einem Hutmacher aus Alessandria, der sein Handwerk in Paris gelernt und es, ergänzt um industrielle Fertigungstechniken, die er aus England übernahm, in die Heimat zurückgetragen hatte. In den zwanziger Jahren stellte das Unternehmen zwei Millionen Hüte im Jahr her. Die Fabrik selbst wurde zu einem der wichtigsten Arbeitgeber der Region, ein Musterbetrieb für ein neues, modernes Italien, beispielhaft auch in seiner Fürsorge für die Arbeiter. In den Straßennamen Alessandrias ist diese Geschichte noch lebendig.

Die Produktion liegt gegenwärtig bei etwa 400 000 Hüten jährlich. Etwa die Hälfte davon wird im Stammsitz der Firma, einer schlichten Fabrikhalle am Stadtrand von Alessandria, die andere Hälfte aber von Lizenznehmern und Lohnfirmen gefertigt. Doch noch immer werden die richtigen "Fedoras" manufakturiell hergestellt, aus einem Filz, der aus dem Pelz von Stallhasen und Wildkaninchen gewonnen wird, von etwa siebzig eigens dazu ausgebildeten Arbeitern. Der Geschichte der Firma, die zwar schon in den Vierzigern aufhörte, ein Familienunternehmen zu sein, und ihrer Produkte, aber noch immer eine der stärksten italienischen Marken ist, wurde im Jahr 2006 Gegenstand eines eigenen Hutmuseums in der Stadtmitte Alessandrias.

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Das Material für einen Hut wird mindestens sieben Wochen lang geblasen, gewässert, gerollt, gepresst, gekocht, gedrückt, genäht und gerieben, bis die Kopfbedeckung fertiggestellt ist und verkauft werden kann. Getragen werden muss er dann mit Stolz und Würde: so etwa, wie Humphrey Bogart es tat, als er sich in der Abschiedsszene von "Casablanca" von Ingrid Bergman trennte. So wie es Alain Delon in einem Film tat, der zudem "Borsalino" (1970) heißt, oder so, wie es Harrison Ford als "Indiana Jones" tat, auf dessen Kopf sogar Schweiß und Dreck den Hut zierte. Und auch die Kopfbedeckung, die Michael Jackson im Video zu "Billie Jean" trägt, ist ein Borsalino. Historisch betrachtet, sollen sich die verlässlichsten Kunden der Firma allerdings weder im Showgewerbe noch unter Kriminellen befunden haben, sondern im italienischen Klerus.

© SZ vom 07.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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