Italien:Bademeister verzweifelt gesucht

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Noch gibt es den Bademeister am Strand von Monterosso, Cinque Terre. (Foto: IMAGO/localpic/IMAGO/localpic)

Italienische Strände spüren den Fachkräftemangel massiv. Verblasst nun der Mythos des "Bagnino", der bei 39 Grad im roten Tanktop über das Vergnügen der Badegäste wacht?

Von Ulrike Sauer, Rom

Es war einmal der bagnino, der Held des italienischen Sommers. Er gehörte zur brütenden Hitze auf der Mittelmeerhalbinsel wie der Drang der Italiener ans Wasser. Auch Generationen aus der Ferne anreisender Strandurlauber kennen ihn gut: den Rettungsschwimmer, der braun gebrannt im roten Tanktop und mit Trillerpfeife über das Vergnügen der Badegäste an seinem Abschnitt der spiaggia wacht. Nun werden für die Strandsaison 2024 in Italien verzweifelt 4000 Bademeister gesucht. Die nahezu mythologische Figur des jungen bagnino scheint vom Aussterben bedroht zu sein.

Der Fachkräftemangel ist auch in Italien ein großes Thema. Es fehlt an Programmiererinnen, Mechatronikern, IT-Leuten, Pflegekräften, Installateuren und Ärztinnen. Die florierende Luxusindustrie sucht händeringend nach Schneiderinnen, Goldschmieden und Lederhandwerkern. Mehr als eine Million offene Stellen können zurzeit nicht besetzt werden, klagt die italienische Arbeitsministerin Marina Calderone. Nun droht also auch noch ein Engpass in einem Kerngeschäft der äußerst wichtigen Tourismusbranche: dem Betrieb der 15 000 stabilimenti balneari entlang der italienischen Mittelmeerküste. Ausgerechnet der Sehnsuchtsort Strand - ein Hotspot des Fachkräftemangels.

Nirgends ist der Arbeitsmarkt diesbezüglich so angespannt wie an den Adria rund um Rimini, dem Mittelpunkt dieser landesweiten Krise. Die Rekrutierung des Personals für den Saisonstart im Mai kommt nicht voran. "Unser Riesenproblem ist, dass sich niemand bei uns vorstellt", sagt Vainer Nanni, Pächter des Bagno 128 Novello in Rimini. Auch die Versuche der regionalen Arbeitsagentur, über die sozialen Netzwerke Kandidaten anzulocken, verliefen sich im Sand. Auf Facebook bekam ihre Initiative nur 17 Likes und wurde kaum geteilt. Nanni sagt: "An der Bezahlung liegt es nicht." Mittlerweile übertrifft das Angebot der Sommerjobs die Nachfrage um ein Vielfaches. Für patentierte Rettungsschwimmer sind 1500 bis 1800 Euro Monatssalär drin, was für Italiens Nachwuchs eine äußerst attraktive Entlohnung ist.

"Es gibt heute zu wenig junge Menschen im Land", klagt Primo Olivieri

Überraschend sind die Alarmrufe indes nicht. Pünktlich zur Osterzeit erhebt sich schon seit ein paar Jahren das Wehgeschrei von den 3270 Kilometern Sandstränden in Italien. Die Schuld an der misslichen Lage gibt man dem gesellschaftlichen Wandel. Da macht sich zum einen die starke Geburtenkrise in Italien bemerkbar. "Es gibt heute zu wenig junge Menschen im Land", klagt Primo Olivieri, Marketingchef des Dienstleisters Romagna Spiagge. Zudem bleiben die Saisonkräfte weg, die vor der Pandemie aus Osteuropa kamen und danach nicht mehr zurückkehrten. Auch leide die Tourismusindustrie zunehmend unter der Konkurrenz von Industrie und Handwerk, die Jobs für das ganze Jahr anbieten. Scharenweise gehen den Strandbädern potenzielle Bewerber durch die Umstrukturierung des Hochschulstudiums verloren. Sie hat zum Wegfall der traditionellen Semesterferien geführt. Und natürlich sagt man der jungen Generation nach, einfach keine Lust mehr zu haben, bei 39 Grad den langen Tag im Strandgetümmel zu verbringen. "Viele haben es eben nicht mehr nötig, weil sie von den Eltern finanziell unterstützt werden", sagt Olivieri.

So richtig in die Bredouille bringen die Branche jedoch die gesteigerten Anforderungen an die Bademeister. Nach mehreren Aufschüben treten am 1. April bereits im Jahr 2016 verabschiedete Vorschriften in Kraft. Das Mindestalter für bagnini wird auf 18 Jahre heraufgesetzt und die obligatorischen Vorbereitungskurse gleich um das Dreifache verlängert. Auch muss künftig die Prüfung zum Lebensretter im Abstand von fünf Jahren wiederholt werden. Ohne Bademeister im roten Dress droht den Strandbädern aber die Schließung.

Die Vorstellung ist angesichts der italienischen Ursehnsucht nach Meer, die von Adriano Celentano in "Azzurro" und in "Mare mare" von Luca Carboni unauslöschlich besungen wurde, natürlich irreal. Zur Sicherung ihrer blendenden Geschäfte werden sich Italiens Strandpächter schon etwas einfallen lassen.

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