Italien:Der Stress nimmt kein Ende

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Trio mit Sorgen: Italiens Arbeitsminister Luigi Di Maio (li.), Innenminister Matteo Salvini und Premierminister Giuseppe Conte (re.) müssen sich erklären. (Foto: Remo Casilli/Reuters)

Die Haushaltspolitik des Landes bedroht die Banken. Schon ist wieder die Rede von Staatshilfe.

Von Meike Schreiber, Jan Willmroth und Markus Zydra, Frankfurt

Wenn die Europäische Zentralbank an diesem Freitag die Ergebnisse des aktuellen Stresstests für die 48 wichtigsten Banken Europas veröffentlicht, stehen allen voran Italiens Banken im Fokus. Sie gehören ohnehin zu den größten Sorgenkindern der Eurozone, weil sie viele faule Kredite in den Bilanzen haben. Spätestens aber seit der Streit zwischen der italienischen Regierung und der EU-Kommission um die Höhe der Neuverschuldung des Euro-Landes eskaliert, wächst sich die Dauersorge zu einer echten Angst aus: Müssen Italiens Banken staatlich gerettet werden, weil nun "neue Probleme" auf einen "ohnehin fragilen" Markt treffen?, fragen die Analysten der DZ Bank?

Der neuralgische Punkt jeder Finanzkrise ist der Bankensektor. Wenn an den Finanzmärkten die Zinsen steigen, italienische Unternehmen, Privathaushalte und der italienische Staat also mehr für ihre Kredite bezahlen müssen, dann hat das auch gefährliche Auswirkungen auf die Banken - nicht nur auf jene in Italien, sondern auch auf die in ganz Europa.

Was vielen Finanzexperten besondere Sorgen bereitet, ist die nach wie vor enge Verzahnung zwischen nationalen Banken und deren Heimatstaaten. Europas Banken kaufen oft und gerne Staatsanleihen aus europäischen Staaten. Das ist gefährlich. Kommt etwa der italienische Staat in Zahlungsnot, stürzt der italienische Bankensektor sofort mit in die Krise. Diese riskante Verbindung im europäischen Finanzsystem hätte eigentlich längst gekappt werden sollen, weil Finanzkrisen dadurch in der Regel verstärkt werden.

Das Nichtstun rächt sich nun: Europas Banken leiden schon jetzt unter dem Durcheinander in Rom. Seit die dortige Regierung im Amt ist, haben die Aktienkurse der meisten Institute deutlich nachgegeben, vor allem, weil sie Kredite an die italienische Wirtschaft vergeben haben. Allen voran die französischen Banken haben mit rund 260 Milliarden Euro die meisten Forderungen an Italien ausstehen. Aber auch deutsche Geldinstitute müssen sich sorgen. Ihre Italien-Forderungen summieren sich auf rund 80 Milliarden Euro. Allein die Commerzbank hält noch 8,5 Milliarden Euro an italienischen Staatsanleihen. Die Deutsche Bank kommt bei den Staatsschuldscheinen zwar nur noch auf 2,1 Milliarden Euro, allerdings ist das Geldhaus in Italien generell stark vertreten, mit Krediten an Firmen sowie Privatkunden und eigenen Filialen in Italien. Eine tiefere Krise in dem Land, so viel ist klar, würde die Deutsche Bank in jedem Fall hart treffen.

Am bedrohlichsten ist die Situation aber für Italien selbst: Geschäftsbanken, Zentralbank, Privatanleger und Regierung sind dort stärker miteinander verbunden als anderswo in Europa. 48 Prozent aller staatlichen Schuldscheine, deutlich mehr als 1000 Milliarden Euro, befinden sich im Besitz italienischer Banken und Privatanleger. Weitere 20 Prozent sind bei der Zentralbank geparkt. Die Großbanken Unicredit, Intesa Sanpaolo und Banca Monte dei Paschi di Siena halten jeweils ein Vielfaches ihres harten Kernkapitals in italienischen Staatsanleihen. Diese Anleihen bilanzieren sie auch noch zu Marktwerten. Das heißt: Steigen die Zinsen, sinken also die Kurse für Staatsanleihen, führt das unmittelbar zu Verlusten in der Bilanz.

"Die italienischen Banken sind die ersten, die damit ein Problem haben. Wenn die Zinsen auf über 3,5 Prozent steigen, wird es gefährlich", sagt Bernd Meyer, Kapitalmarktexperte der Privatbank Berenberg. Am Donnerstag rentierten italienische Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit bereits bei 3,4 Prozent. Hinzu kommt die Frage, wie und zu welchen Konditionen sich Italiens Banken refinanzieren können, wenn der bislang so gut wie unbegrenzte Zugang zu extrem kostengünstiger Liquidität der Europäischen Zentralbank (EZB) ausläuft. Sollte die Bonität italienischer Staatsanleihen von den Ratingagenturen auf "Ramsch" herabgestuft werden, dürften Italiens Banken die Schuldscheine bei der EZB nicht mehr als Pfand für Kredite einreichen. Diese Unsicherheit belastet das Vertrauen in die Banken. Viele Kunden ziehen ihr Geld ab und überweisen es auf Konten im europäischen Ausland.

Koalitionsführer Matteo Salvini hat bereits erklärt, zur Not für die Rettung der Banken bereitzustehen. Aber wird dies unter den strengen EU-Vorschriften für staatliche Beihilfen überhaupt möglich sein? Hatte man sich nicht geschworen, dass Steuerzahler nicht mehr für die Rettung von Banken herhalten dürfen? Und wird Italien dafür den EU-Rettungsfonds ESM anbetteln wollen, was mit wirtschaftspolitischen Auflagen verbunden wäre? "Den jetzigen Zustand kann sich Italien auf Dauer nicht leisten, wenn die Zinsen hoch bleiben und das Wachstum schrumpft", sagt Andrew Bosomworth, Deutschlandchef der Fondsgesellschaft Pimco. Das Land müsse alle zwei Wochen etwa zehn Milliarden Euro aufnehmen und brauche permanenten Zugang zum Kapitalmarkt: "Wenn die Regierung das Spiel zu weit treibt, verliert sie die Kontrolle."

© SZ vom 02.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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