Der Krieg in Israel könnte die schleppende Erholung der israelischen Technologiebranche jäh wieder abwürgen. "Auslandsinvestitionen werden in den kommenden Wochen und Monaten zurückgehen", sagte Jon Medved, Geschäftsführer des Wagniskapitalgebers OurCrowd. Auch Avi Hasson, Chef der gemeinnützigen Organisation "Start-Up Nation Central", die aufstrebende Firmen und potenzielle Investoren zusammenbringt, äußert sich skeptisch. "Solange wir uns mitten im Krieg befinden, ist es schwer vorstellbar, dass große Geschäfte zustande kommen."
Seit Samstag toben in der Region heftige Kämpfe, vor allem rund um den von der radikalislamischen Hamas kontrollierten Gazastreifen. Als Reaktion auf die Angriffe fliegt Israel Vergeltungsangriffe auf Gaza und ruft 300 000 Reservisten zu den Waffen, darunter auch Beschäftigte der Technologieunternehmen. Das sei kurzfristig ein großer Belastungsfaktor, sagt Jack Ablin, Gründungspartner des Vermögensberaters Cresset. Außerdem muss der Schutz zahlreicher Firmenstandorte drastisch erhöht werden, viele Technologiefirmen haben Verbindungen zum Militär.
Technologie hat einen immensen Stellenwert für die israelische Wirtschaft
Der Hightech-Sektor ist seit Jahrzehnten der am stärksten wachsende Teil der israelischen Wirtschaft. Die Firmen gehören unter anderem bei Cyber-Sicherheit und künstlicher Intelligenz (KI) zur Weltspitze. Etwa 14 Prozent aller Arbeitsplätze, knapp ein Fünftel der gesamten Wirtschaftsleistung, ein Viertel der Einkommensteuer-Einnahmen und mehr als die Hälfte der Exporte Israels gehen auf ihr Konto.
Allerdings musste die Branche bereits vor Ausbruch der Kämpfe Rückschläge einstecken. So fiel durch die Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) ein wichtiger Kreditgeber weg. Außerdem verunsicherten die umstrittene Justizreform der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und die damit verbundenen Massenproteste Investoren. Israelische Technologiefirmen erhielten einer Studie zufolge im ersten Halbjahr 2023 etwa 70 Prozent weniger Kapital als im Vorjahreszeitraum. Im dritten Quartal habe das Minus allerdings nur noch bei 14 Prozent gelegen, der Abschwung verlor also an Dynamik. Seit Jahresbeginn hat die Branche der Studie zufolge insgesamt etwa fünf Milliarden Dollar eingesammelt.
Mittel- und langfristig erwartet Start-Up-Nation-Central-Chef Hasson keine Beeinträchtigung des israelischen Technologiesektors. "Er ist in der Lage, während eines Konflikts zu funktionieren und sich auch davon zu erholen. Ich glaube nicht, dass die Investoren das Vertrauen in Israel so schnell verlieren werden." Für Hillel Fuld, PR-Berater für Start-ups, könnte das Land sogar von der aktuellen Welle der internationalen Solidarität profitieren. "Dies könnte dazu beitragen, dass Investoren, die bisher gezögert haben in Israel zu investieren, einen Anreiz erhalten."