Investor Nicolas Berggruen:"Ich habe nicht gewusst, wie krank Karstadt war"

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Nicolas Berggruen im Jahr 2010, als er Karstadt für einen Euro übernahm. (Foto: dpa)

Vor drei Jahren hat Nicolas Berggruen Karstadt übernommen. Das gelang vor allem deshalb, weil der Investor die Gewerkschaft Verdi hinter sich hatte - inzwischen jedoch liegen der Milliardär und die Arbeitnehmervertreter im Clinch.

Von Stefan Weber, Düsseldorf

Es ist ein Bekenntnis, das befremdet nach den vielen Monaten, die seine Berater und Zuarbeiter die Unterlagen von Karstadt im Sommer 2010 sondiert hatten. "Ich habe nicht gewusst, wie krank Karstadt nach 20 Jahren Missmanagement wirklich war. Die Herausforderungen sind noch größer und anstrengender", bekannte Karstadt-Eigentümer Nicolas Berggruen in einem Interview mit der Bild-Zeitung.

Der deutsch-amerikanische Investor hatte damals nach harten Verhandlungen mit dem Insolvenzverwalter und dem Gläubigerausschuss den Zuschlag erhalten. Die Firma bekam er für einen Euro. Lediglich für die Namensrechte an Karstadt musste er geschätzt fünf Millionen Euro bezahlen. Zweifel an der Rettung der Kaufhauskette hat Berggruen jedoch trotz der unerwarteten Probleme nicht. "Ich glaube fest an Karstadt. Das Unternehmen wird die Wende hinbekommen", betonte er. Eine Sanierung sei immer ein langer Weg. "Und wir haben erst ungefähr die Hälfte hinter uns."

Zwei andere Bieter hatte Berggruen in dem Übernahmepoker vor knapp drei Jahren ausgestochen. Das war vor allem deshalb gelungen, weil der Milliardär die Gewerkschaft Verdi auf seine Seite gezogen hatte. Doch die Arbeitnehmervertreter sind längst von ihrem einst klar favorisierten Kandidaten abgerückt. Erste Risse bekam das Verhältnis im vergangenen Sommer, als das Karstadt-Management den Abbau von 2000 Vollzeitstellen verkündete. Ein paar Wochen später lief der Sanierungstarifvertrag aus, der das Unternehmen verpflichtete, wieder branchenübliche Löhne und Gehälter zu bezahlen. Zuvor hatten die Beschäftigten pro Jahr auf etwa 50 Millionen Euro verzichtet.

Streiks gegen das Karstadt-Management

Gänzlich zerschnitten ist das Tischtuch zwischen Verdi und Berggruen seit Karstadt-Chef Andrew Jennings vor gut drei Wochen den Ausstieg aus der Tarifbindung verkündete. Damit sind die etwa 24.000 Beschäftigten in den nächsten beiden Jahren von möglichen tariflichen Lohnerhöhungen ausgeschlossen. Dass beide Seiten bald wieder zusammenfinden, ist eher nicht zu erwarten. Denn Berggruen legte am Dienstag noch einmal kräftig nach: "Die Verdi-Funktionäre kämpfen gerade bei Karstadt um ihre eigene Macht als Gewerkschaft auf Kosten der Belegschaft. Das ist nicht in Ordnung".

Verdi dagegen findet es nicht in Ordnung, dass der vermeintliche Warenhaus-Retter bisher nahezu kein eigenes Geld in die Sanierung des Unternehmens gesteckt hat. Karstadt muss alle Investitionen selbst verdienen - was angesichts zuletzt rasant schrumpfender Umsätze immer schwerer fällt. Für Berggruen dagegen ist die Gesundung der Kaufhauskette keine Frage des Geldes. "Wenn frisches Geld automatisch helfen würde, stünde ich bereit", versprach er in dem Interview. Entscheidend ist nach seiner Ansicht jedoch der "Wandel im Unternehmen selbst". Weitere Lohnerhöhungen könne sich Karstadt in den nächsten zwei Jahren nicht leisten.

Hellmut Patzelt, Chef des Gesamtbetriebsrats, sprach sich am Dienstag dafür aus, die Probleme im Dialog mit Berggruen anzugehen. "Ich habe nicht den Eindruck, dass er nicht mehr zu Karstadt steht." Unterdessen hat die Gewerkschaft mit weiteren Streiks versucht, Druck auf das Management auszuüben. Am Dienstag legten erneut mehrere hundert Mitarbeiter von Karstadt in Hamburg die Arbeit nieder. Mit Kundgebungen und Demonstrationen vor den Warenhäusern und in der Innenstadt machten sie auf die "Tarifpause" aufmerksam.

Berggruen traf sich am Dienstag mit dem Karstadt-Management unter Führung des Briten Andrew Jennings, um die Lage zu erörtern. Vermutungen, es handele sich um einen "Krisengipfel" hatte ein Sprecher bereits im Vorfeld zurückgewiesen. Vielmehr handele es sich um einen Informationsbesuch, wie es ihn schon oft gegeben habe. Über Ergebnisse des Treffens wurde nichts bekannt.

© SZ vom 05.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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