Insolvenzverwalter Ottmar Hermann:Der verhinderte Golfspieler

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Woolworth, Karmann, Egana-Goldpfeil, Holzmann: Ottmar Hermann ist ein Tausendsassa unter den deutschen Insolvenzverwaltern.

H. Schwarz, S. Weber und M. Balser

Der korpulente Mann mit der hohen Stirn hat ein Problem, das ihn sehr bedrückt. Immer wieder will er sich als Golfspieler verbessern. Doch dafür hat er einfach nicht genug Freizeit. Denn seine Geschäfte laufen prima - ausgerechnet jetzt, mitten in der Krise. Doch für Ottmar Hermann, den Insolvenzverwalter, sind das nun einmal die Zeiten, in denen seine Dienste besonders gefragt sind.

Insolvenzverwalter Ottmar Hermann hat ein Problem: Er würde sich gerne als Golfspieler verbessern, doch dafür hat er einfach zu wenig Zeit. (Foto: Foto: ddp)

Hermanns Frankfurter Rechtsanwaltskanzlei mit ihren 160 Mitarbeitern erlebt derzeit eine Hochkonjunktur. Der 1951 in Kaufbeuren geborene Jurist ist nahezu rund um die Uhr im Einsatz, private Zeit ist da knapp bemessen.

Plötzlich klingelte das Telefon

Vergangene Woche wollte er eigentlich mit der Familie im portugiesischen Faro entspannen. Und natürlich golfen, das wollte er auch. Doch wie so oft in seiner Karriere klingelte plötzlich das Telefon, und der Urlaub war für ihn vorbei: Hermann war zum vorläufigen Insolvenzverwalter beim Autozulieferer Karmann in Osnabrück berufen worden.

Dass er den Urlaub abgebrochen hat, hat sich dieses Mal sogar doppelt gelohnt. Denn auch bei der klammen Einzelhandelskette Woolworth in Frankfurt soll er nun retten, was noch zu retten ist.

Bei der Kaufhaus-Gruppe geht es um 11.000 Arbeitsplätze in Deutschland und Österreich. Hermann sagt, man habe in seiner Kanzlei genau analysiert, ob diese zusätzliche Arbeit noch zu bewältigen sei. Schließlich habe man das Woolworth-Mandat aber doch angenommen.

"Ich weiß, worauf ich mich einstellen muss", sagt er. Jedes Insolvenzverfahren sei "eine große Aufgabe und eine große persönliche Beanspruchung" für den Verwalter und sein Expertenteam.

Kürzlich Salamander verkauft

Neben Karmann und Woolworth ist Hermann derzeit auch bei der Europa-Holding Egana-Goldpfeil aktiv, aus deren Besitz er kürzlich die Schuhfirma Salamander verkaufte. Der Mann, der sich als waschechter Frankfurter fühlt und genau weiß, wo sich die Woolworth-Filiale auf der Zeil befindet, ist ein Tausendsassa unter den deutschen Insolvenzverwaltern.

Heute hier, morgen dort, übermorgen wieder woanders. Viele kleinere, weniger spektakuläre Pleitefälle bearbeitet seine Sozietät natürlich auch noch. So beschäftigten er und seine Leute sich beispielsweise mit dem Autohaus Georg von Opel und der einstigen Fluggesellschaft Aero Lloyd, die unter Hermanns Regie in Aero Flight umbenannt wurde und nun zur isländischen Avion-Gruppe gehört.

Im Gegensatz zu manchen Insolvenzverwaltern, die zusammengebrochene Firmen rasch zerschlagen und abwickeln, gehört der Frankfurter Jurist zu jenem Teil der Gilde, deren oberstes Gebot eine Fortführung des gescheiterten Betriebs ist. Das gefällt zwar nicht jedem Gläubiger. Doch kann es zum Erhalt von mehr Arbeitsplätzen führen.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, wodurch die weiche Seite Hermanns erkenntbar wird.

Hertie, Schiesser & Co.
:Abschied von alten Bekannten

Quelle, Escada, Rosenthal: Pleiten von Traditionsunternehmen sorgen in Deutschland immer wieder für Aufsehen - weil oft Hunderte, manchmal Tausende Jobs einfach wegfallen. Spektakuläre Pleiten in Bildern.

Diese Perspektive erleichtert Leuten wie Hermann die Auseinandersetzung mit Betriebsräten. Denn dass nach einer Pleite alle Arbeitsplätze erhalten werden können, ist von Beginn an unwahrscheinlich. Die mit seinem Job verbundene Belastung, die auch von Entscheidungen über Stellenstreichungen herrührt, kennt Hermann genau.

Die Verhandlungen mit dem Investor stocken: Insolvenzverwalter Biner Bähr. (Foto: Foto: ddp)

Er sagt: "Das geht einem physisch und psychisch an die Nieren." Er unterstreicht diese Aussage, indem er die Augenbrauen weit hochzieht: Seine Augen werden dadurch ganz groß; auf seiner hohen Stirn bilden sich tiefe Falten, Sorgenfalten.

Natürlich gehörte der Rechtsanwalt nicht immer zur Hautevolee der deutschen Insolvenzverwalter. Den Durchbruch schaffte er bei der Pleite des Frankfurter Baukonzerns Philipp Holzmann, bei der er gleich zweimal antrat.

Strich durch die Rechnung

Ende 1999 war er zum Insolvenzverwalter berufen worden - doch er blieb nur wenige Tage. Die Intervention des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder machte Hermann einen Strich durch die Rechnung, denn Schröder verpflichtete die Banken zur Hilfe für Holzmann. Hermann musste abtreten.

Anfang 2002 war Holzmann dann erneut, diesmal endgültig pleite. Insolvenzverwalter wurde wieder Ottmar Hermann. Das Holzmann-Verfahren laufe noch immer, stecke aber in der Endphase, versichert der Jurist. Kürzlich konnte er 84 Millionen Euro aus der Insolvenzmasse an 9000 Gläubiger ausschütten.

Hermanns Kanzlei, der auch Wirtschaftsprüfer und Steuerberater angehören, hat inzwischen acht Standorte in Deutschland, darunter sind Büros in Berlin und Leipzig. Auf internationaler Bühne werden Kooperationen mit Sozietäten in Zürich, Mailand, Amsterdam und London gepflegt.

Tadelloser Ruf

Hermann, der vor den Toren Frankfurts in Dreieich wohnt und gerne auf dem Fahrrad unterwegs ist, genießt in der Branche einen tadellosen Ruf. Es heißt, er sei "ein fähiger und kompetenter Mann", der sich auch um das Schicksal der Belegschaften kümmere.

Bei aller Härte, die ein Insolvenzverwalter zeigen muss, wenn er seine Ziele erreichen will, zeigt Hermann manchmal auch eine weiche Seite. Ein Beispiel: Auf der Internetseite der Kanzlei steht unter der Rubrik Team bis heute der Name Norbert Michl.

Er war ein Freund von Hermann und Partner beim Aufbau der Kanzlei. Michl starb mit seiner Frau Edeltraut Weihnachten 2004 im thailändischen Khao-Lak bei der Tsunami-Katastrophe. Hermann hat beide nicht vergessen. Dieser Wesenszug ist wichtiger, als ein guter Golfspieler zu sein.

Lernen Sie auf der dritten Seite den Insolvenzverwalter Biner Bähr kennen.

Es war kurz nach 12 Uhr, als die Geschäftsführer der Warenhauskette Hertie am 31. Juli 2008 beim Amtsgericht Essen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragten. Bereits eine Stunde später hatte das Gericht Biner Bähr zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.

Ein Mandat mit Profilierungschancen. Denn auf Grund der Größe und Bekanntheit ist Hertie kein Unternehmen wie viele andere. Bähr, promovierter Jurist und Partner der White & Case Insolvenz GbR, einer Tochter der Anwaltssozietät White & Case, ist als Insolvenzverwalter an Rhein und Ruhr zwar kein Unbekannter.

Aber mit Unternehmen wie der Eurobike-Gruppe oder der Wertpapierbank Schnigge hatte er zuvor vor allem kleinere Firmen durch die Insolvenz begleitet. Hertie wird für Bähr jedoch immer mehr zu einem Albtraummandat. Mehrfach setzte er den Eigentümern der Immobilien ein Ultimatum, die Mieten zu senken.

Passiert ist nichts. Die Verhandlungen mit einem Investor stocken seit Monaten, und damit schwindet die Aussicht, dass Bähr mit Hertie sein Renommee aufpoliert.

Lernen Sie auf der vierten Seite den Insolvenzverwalter Horst Piepenburg kennen.

Für sein Hobby, das Schreiben von Gedichten, hat Horst Piepenburg immer weniger Zeit. Der in Rees am Niederrhein geborene Jurist gehört zu den bekanntesten und meistbeschäftigten Insolvenzverwaltern in Deutschland.

Als Seniorpartner der auf Sanierungsberatung und Insolvenzverwaltung spezialisierten Düsseldorfer Kanzlei Piepenburg-Gerling wird der 54-Jährige gerne auch bei spektakulären Schieflagen gerufen.

Wie im Sommer 2008 bei der Modekette Sinn-Leffers, deren Sanierung Piepenburg vor kurzem abgeschlossen hat. Sein spektakulärster Fall war die Pleite des Maschinenbau-Konzerns Babcock-Borsig. Dabei ging es um mehr als 21 000 Arbeitsplätze.

Die meisten davon gibt es noch heute, weil es Piepenburg gelang, das Unternehmen in Einzelteilen zu verkaufen. Gerne nutzt der Jurist, der auch Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Insolvenzrecht und Sanierung im Deutschen Anwaltverein ist, eine Möglichkeit, die das deutsche Recht seit 1999 bietet: die Sanierung eines Unternehmens unter dem Schutz des Insolvenzverfahrens.

Lernen Sie auf der fünften Seite den Insolvenzverwalter Michael Jaffé kennen.

Auch Michael Jaffé gilt als einer der prominentesten Köpfe der Insolvenzverwalter-Szene. Gut 1400 Firmenpleiten vom kleinen Handwerksbetrieb bis zum Milliardenkonzern hat der Jurist als Gutachter und Verwalter bislang betreut.

Bekannt wurde Jaffé im April 2002, als ihn ein Münchner Gericht zum Verwalter des Medienimperiums von Leo Kirch machte. Die Pleite beschäftigt den 45-Jährigen bis heute.

Viel Zeit muss Jaffé seit Jahresanfang in die Rettungsbemühungen um den Chiphersteller Qimonda stecken. Die Infineon-Tochter meldete im Januar Insolvenz an. Weltweit stehen mehr als 12.00 Jobs auf dem Spiel, gut 5000 davon allein in Deutschland.

Jaffé kämpft wie in den meisten Fällen gegen die Uhr, verhandelt mit Politikern über Sicherheiten, mit potentiellen Investoren in mehreren Erdteilen über Kapital. Denn wird in den nächsten Wochen kein Investor für den Hersteller winziger Speicherchips gefunden, muss er das Hightech-Unternehmen auflösen und die verbliebenen Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit schicken.

© SZ vom 17.04.2009/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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