Insolvenzexperte im Gespräch:Eine Pleite ganz eigener Art

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Gibt es eine Insolvenz erster Klasse, wenn Opel in eine "geordnete Insolvenz" geschickt würde? Nein, sagt Deutschlands oberster Insolvenzverwalter Siegfried Beck.

Hans von der Hagen

Bundeswirtschaftsminister Guttenberg gibt Rätsel auf: Er fordert für Opel eine "geordnete Insolvenz". Doch was soll das sein? Wir haben Siegfried Beck, Chef des Verbandes der Insolvenzverwalter Deutschlands gefragt.

Insolvenzverwalter Siegfried Beck: Bei Opel dürfte die Entflechtung von der Muttergesellschaft ein großes Problem werden (Foto: Foto: oH)

sueddeutsche.de: Wirtschaftsminister Guttenberg will Opel in eine "geordnete Insolvenz" schicken. Kennen Sie eine "geordnete Insolvenz" als eigenes Verfahren?

Siegfried Beck: Der Verfahrensablauf einer Insolvenz ist in der Insolvenzordnung geregelt und die Einhaltung der Regeln wird durch das Insolvenzgericht überwacht. Insofern läuft jede Insolvenz geordnet ab. Wenn Wirtschaftsminister Guttenberg von einer "geordneten Insolvenz" spricht, so hat er vermutlich das Verhalten aller Beteiligten im Auge. Sie sollten die Sanierungschancen, die die Insolvenzordnung bietet, optimal wahrnehmen.

sueddeutsche.de: Wie sieht dann die optimale Insolvenz aus?

Beck: Ein Insolvenzverfahren solltest möglichst frühzeitig eingeleitet werden - bevor die Strukturen des Unternehmens beschädigt sind. Dann ist es noch möglich, einen Insolvenzplan als Sanierungsplan auszuarbeiten. Eine weitere - bisher viel zu selten genutzte - Option ist die sogenannte Eigenverwaltung. Dabei wird die Insolvenz - unter der Aufsicht eines Sachwalters - von der Unternehmensleitung selbst verwaltet . Ansonsten übernimmt der Insolvenzverwalter die Führung im Haus.

sueddeutsche.de: Welche besonderen Anforderungen würde eine "geordnete Insolvenz" im Fall von Opel bergen?

Beck: Zum einen müsste ein geeigneter Investor gefunden werden, der künftig als Gesellschafter von Opel auftritt und das Unternehmen industriell führt. Zum anderen ist zu klären, ob beispielsweise die Opel-Patente nicht längst amerikanischen Banken als Sicherheiten zur Verfügung gestellt wurden. Die Entflechtung von der Muttergesellschaft dürfte also ein großes Problem werden.

sueddeutsche.de: Wie viele Unternehmen, die Insolvenz anmelden, überleben am Ende?

Beck: Statistische Erhebungen hierzu gibt es leider nicht. Meine persönliche Erfahrung besagt jedoch, dass in jedem länger existierenden Unternehmen ein gesunder Kern steckt, den der Insolvenzverwalter erkennen und neu organisieren muss. Der Erhalt des Unternehmens ist auf zwei Wegen möglich: Entweder über den Insolvenzplan oder im Rahmen einer "übertragenden Sanierung", also durch den Verkauf des gesunden Kerns des Unternehmens unter Erhalt der Betriebsstätten und möglichst vieler Arbeitsplätze.

sueddeutsche.de: Welche Unternehmen gelten als Beispiele gelungener Insolvenzen?

Beck: Es gibt bereits eine große Anzahl Unternehmen, die in einem Insolvenzplanverfahren oder durch übertragende Sanierung erhalten worden sind. Bundesweit bekanntgeworden sind etwa die Insolvenzverfahren von Ihr Platz, Kirch Media oder Babcock Borsig.

sueddeutsche.de: Früher wurde zwischen Vergleich und Konkurs unterschieden. Heute gibt es nur noch die Insolvenz. Warum?

Beck: Bis Ende der neunziger Jahre gab es zwei Gesetze: Einerseits die eher auf Firmenschließung angelegte Konkursordnung, andererseits die eher auf Sanierung angelegte Vergleichsordnung. Beide Gesetze wurden durch die Anfang 1999 in Kraft getretene Insolvenzordnung abgelöst. Die Insolvenzordnung vereinigt beide Verfahrensziele in sich - die Liquidation eines Unternehmens und die Sanierung. Der Vorteil ist, dass die Beteiligten mehr Zeit bekommen, sich zwischen beiden Lösungen zu entscheiden.

sueddeutsche.de: Wer kontrolliert den Insolvenzverwalter, wenn er die Macht im Unternehmen übernommen hat?

Beck: Der Insolvenzverwalter steht unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts. Diesem hat er regelmäßig Bericht zu erstatten und Rechnung zu legen. In größeren Verfahren wird er zusätzlich durch einen Gläubigerausschuss unterstützt und kontrolliert. Wesentliche Entscheidungen müssen zudem von der Gläubigerversammlung genehmigt werden.

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