Infineon:Flirt mit dem Unbekannten

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Seit dem Börsengang hat die Aktie von Infineon 99 Prozent ihres Werts verloren. Schwere Turbulenzen erschüttern den Chipkonzern, der sich jetzt für Investoren öffnen will.

M. Balser und C. Busse

Für Infineon-Chef Peter Bauer, 48, sind die Gedanken an den Börsengang Bilder aus einer fernen Zeit. Der frühere Chef Ulrich Schumacher fuhr damals mit dem Porsche an der Wall Street vor. Die Papiere legten allein am ersten Handelstag um 100 Prozent auf 70 Euro zu. Verärgerte Privatanleger beschwerten sich bei Bankern, dass sie im Losverfahren leer ausgingen. Heute sagt Bauer: "Wir haben unter dem Jubelstart gelitten. Infineon ist an die Börse gegangen, als der Dax seinen letzten Höhepunkt hatte. Seitdem ging es mit dem Kurs nur bergab", sagt er.

Infineon muss bis zum Herbst 2010 an frisches Kapital kommen, um auslaufende Finanzierungen umzuschulden. (Foto: Foto: ddp)

Der Alltag hat mit dem pompösen Start kaum noch etwas zu tun: Am Mittwoch informierte der Konzern seine Belegschaft darüber, dass wegen wegbrechender Aufträge bis zu 4800 Mitarbeiter zusätzlich in Kurzarbeit gehen müssen - 4000 in der Zentrale in München und 800 in Warstein. Bauer kündigt im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung zudem an, dass der Sparkurs auch die Chefetage treffen soll. Der Konzern spreche mit weltweit 400 Führungskräften, darunter 280 in Deutschland, über unbezahlten Sonderurlaub von zwei oder drei Tagen pro Monat zunächst für ein Quartal. Sparvolumen: 10 bis 15 Prozent pro Person. Auch der Vorstand wird die schlechte Geschäftslage spüren. Er selbst werde auf 20 Prozent seines Gehalts verzichten, so Bauer, seine drei Vorstandskollegen auf zehn Prozent.

Die Aktionäre auf der Infineon-Hauptversammlung an diesem Donnerstag - der ersten für Bauer als Infineon-Chef - dürften trotz des Verzichts sauer sein. Um 99 Prozent sind die Aktien seit Börsenstart gefallen. Gelandet im Ramsch-Status Penny-Stock, sind die Papiere nur noch knapp 80 Cent wert.

Der Absturz könnte kaum größer sein, und bringt nun in der Konzernzentrale Campeon am Rande von München Tabus ins Wanken. Erstmals deutet der Vorstandschef an, dass er zu einer Fusion bereit wäre. "Wir können alleine bestehen", sagt Bauer der Süddeutschen Zeitung. "Aber wir werden, falls es sich anbietet, einen Zusammenschluss prüfen. Wenn wir unsere Marktposition verbessern können, ist das allemal positiv." Selbst der Schulterschluss mit einem Finanzinvestor wäre für den Vorstand nun denkbar: "Der Einstieg eines Finanzinvestors wäre generell möglich. Wir prüfen auch ob und wie wir einen strategischen Investor einbinden könnten."

Tausende in Kurzarbeit

Lange hatte sich der Konzern dagegen gewehrt. Zum Amtsantritt im Juni 2008 hatte Bauer noch eine Fusion oder Partnerschaft ausgeschlossen. Dass der Kurswechsel empfindliche Einschnitte bedeuten könnte, ist der Chefetage bewusst. Klar sei, dass Geld von außen an Bedingungen geknüpft sein könne, sagt Bauer. Einige Finanzinvestoren verfolgten strategische Interessen wie die Konzentration der Branche.

Den gut 3000 Aktionären will Bauer nun erklären, wann das Schlimmste endlich überstanden ist. Seit Tagen arbeitete er an seiner Rede. Es wird auf jedes Wort ankommen. "Die Hauptversammlung könnte turbulent werden", schwant Bauer. "Ich kann den Ärger verstehen. Die Aktionäre haben viel Geld verloren." Vieles ist schon jetzt in Bewegung bei Europas zweitgrößtem Chiphersteller. Jeder zehnte der 30000 Beschäftigten muss gehen. Die Aufträge der Autoindustrie - einer der wichtigsten Kunden - sind eingebrochen. Die Konzernspitze spart, wo sie kann. "Mein Ziel ist es, die Krise mit Kurzarbeit und freiwilligem Verzicht zu überstehen", sagt Bauer.

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"Im Moment liegt unsere Auslastung bei 40 Prozent", sagt Bauer. Wann Aktionäre und Mitarbeiter wieder hoffen dürfen? "Wir erwarten, dass der Tiefpunkt der Krise im laufenden Quartal bis Ende März erreicht ist. Danach wird es - so glaube und hoffe ich - leicht wieder aufwärts gehen."

Beim Klicken auf diese Graphik sehen Sie die Entwicklung der Infineon-Aktie. (Foto: Graphik: SZ)

Der für Infineon wichtige Automarkt könne weltweit kaum noch tiefer abrutschen. Zuwächse erwartet der Konzern in diesem Jahr im hart umkämpften Mobilfunkgeschäft: "Wir werden mit neuen Plattformen Marktanteile gewinnen", kündigt Bauer an. Doch klar ist auch: "Bessert sich die Lage nicht, muss Infineon den Sparkurs noch verschärfen", kündigt Bauer an. "Ich kann weitere Einschnitte nicht ausschließen. Wir wollen sie aber verhindern.Denn was dann kommt - Entlassungen und gekürzte Investitionen - ginge womöglich an die Substanz des Konzerns."

Wie ein Brandbeschleuniger wirkt die Finanzkrise auf die ohnehin gebeutelte Chipindustrie. Infineon droht eine Finanzklemme. Denn ausgerechnet in der tiefen Krise muss das Unternehmen bis Herbst 2010 fast eine Milliarde Euro auftreiben, um auslaufende Finanzierungen umzuschulden. Die Gespräche laufen: "Wir sprechen mit unseren Konsortialbanken und anderen Finanzinstituten", sagt Bauer und räumt ein: "Die Verhandlungen sind schwierig. An der Vorsicht der Banken, in der Krise Kredite zu vergeben, haben die staatlichen Hilfspakete noch nichts geändert", so Bauer. Eine Kapitalerhöhung ist wegen des sehr geringen Aktienkurses, der unter dem Nominalwert von zwei Euro liegt, derzeit nicht möglich.

Negativbeispiel Qimonda

Die Tochterfirma Qimonda, auf Speicherchips spezialisiert, musste zuletzt Insolvenzantrag stellen. Doch soweit wird es laut Bauer bei Infineon nicht kommen. "Es besteht kein akutes Insolvenzrisiko, aber wir brauchen frisches Geld", betont er. Ob sich Infineon nun aber um Staatshilfen bemüht? Eine Staatsbürgschaft für Bankkredite könne Infineon helfen, so Bauer. Ob bereits Gespräche liefen, lässt der Konzernchef offen, bestätigte aber ein geplantes Treffen von Aufsichtsratschef Max Dietrich Kley im Wirtschaftsministerium. "Es ist legitim, dass wir mit allen Seiten reden."

Die Zeit drängt. "Bis Ende März, Anfang April wollen wir Klarheit erreichen, wie eine Lösung aussieht. Bis Sommer sollte die neue Finanzierung dann in trockenen Tüchern sein", meint Bauer.

Seinen Start im vergangenen Juni hatte sich Bauer eigentlich anders vorgestellt. Nach langer Zeit in der zweiten Reihe war Beuer im Juni an die Konzernsitze gerückt. Der studierte Elektrotechniker Bauer fing 1986 bei Siemens im Bereich Halbleiter an, ist seit 1999 im Vorstand bei Infineon. Er wollte den Konzern endlich in stabile Gewinne führen. "Was wir vorhatten wurde durch die Krise plötzlich unmöglich: Höhere Margen, größere Umsätze und nicht zuletzt der Qimonda-Verkauf." Ein wenig, sagt Bauer, sei das mit Infineon schon wie bei Achilles und der Schildkröte: "Das Ziel scheint in Reichweite, aber wir kommen einfach nicht hin."

© SZ vom 12.02.2009/iko/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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