Chemieindustrie:BASF-Chef macht sich Sorgen um den Standort Europa

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BASF-Vorstandschef Martin Brudermüller. (Foto: Stephan Rumpf)

Für seine Branche werde es schwierig, sagt Martin Brudermüller. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müsse Strom dauerhaft günstiger werden.

Von Elisabeth Dostert, München

Das ist jetzt das letzte Mal gewesen, dass Martin Brudermüller die Halbjahreszahlen des Chemiekonzerns BASF erläutert. Vieles, was er in den nächsten Monaten macht, macht der Vorstandschef zum letzten Mal. Mit Ablauf der Hauptversammlung 2024 Ende April, wenige Tage vor seinem 63. Geburtstag, gibt er das Amt ab. Ein gutes Jahr, wenn man es an Zahlen messen mag, wird es nicht.

Schon Mitte Juli veröffentlichte BASF eine Gewinnwarnung, die der Konzern selbst eine Anpassung nannte. Seine ursprünglichen Ziele für das Geschäftsjahr 2023 wird der Konzern weit verfehlen. Nun ist Brudermüller nicht Herr über die Konjunktur. Dass die nicht so läuft wie ursprünglich erwartet, kann man ihm schwerlich anlasten. Auch andere Chemiekonzerne wie Bayer, Evonik und Wacker Chemie kassierten Prognosen. Die Nachfrage in Europa entwickele sich infolge der Inflation schwächer, sagte Brudermüller am Freitag in einer Telefonkonferenz. Viele Konsumenten hätten den Kauf langlebiger Gebrauchsgüter in die Corona-Jahre vorgezogen.

Viel stärker aber als die Quartalszahlen scheinen Brudermüller ein paar grundlegende Entwicklungen umzutreiben. "Ich mache mir Sorgen um die chemische Industrie in Europa", sagt er. Es ist nicht das erste Mal, dass er über die Strompreise klagt, über zu lange und zu wenig verlässliche Genehmigungsverfahren, aber seine Klage ist in den vergangenen Monaten eindringlicher geworden.

Der Strompreis sei der Erfolgsfaktor für die Transformation in energieintensiven Industrien weg von fossilen Energieträger. Wenn Strom keinen Preis habe, der international wettbewerbsfähig sei, "wird es schwierig", sagt Brudermüller. Ein Industriestrompreis, also ein staatlich subventionierter vergünstigter Preis, würde helfen, und er sollte relativ schnell kommen. Und er schiebt gleich nach: "Es kann nicht sein, dass der Staat immer subventioniert, wenn es ein großes Problem gibt." Brudermüller wünscht sich für grundlegende Probleme grundlegende Lösungen. Der Preis für Strom müsse generell günstiger werden, zum Beispiel durch eine "klasse Infrastruktur". Firmen, die ihren Strom selbst produzieren wie etwa BASF in einem Windpark, könnten die günstig nutzen.

Brudermüller will sich nicht zum Wettbewerb äußern, also auch nicht zum Ansinnen des staatlichen arabischen Mineralölkonzerns Abu Dhabi National Oil Co (Adnoc), dessen Tochter Borouge mit der österreichischen Firma Borealis zu fusionieren. Deren Hauptgesellschaft OMV will verhandeln. Auch dem deutschen Kunststoffkonzern Covestro macht Adnoc Avancen. Die Vorgänge sind für Brudermüller ein Beleg dafür, wie schwierig die Situation in der chemischen Industrie in Europa geworden ist. Wenn die Aktienkurse und damit die Marktkapitalisierung sinke, werde eine Industrie "auch interessant für jemand, der akquirieren will".

"Es gibt keine Verlagerungen in der BASF."

Neun Monate hat Brudermüller noch, und wie es aussieht, wird er ein paar große Baustellen nicht fertigstellen. Vielleicht die größte: Wintershall Dea, am fossilen Konzern hält BASF gut 70 Prozent. Über einen Verkauf oder einen Börsengang wird seit Jahren geredet. Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat die Trennung erschwert bis unmöglich gemacht, solange sich Wintershall Dea jedenfalls nicht von seinem Geschäft in Russland trennt. Das ist geplant. Es ist aber nicht so ganz einfach, wie das Management von Wintershall Dea am Donnerstag erläuterte. Man wolle die Beteiligung so schnell wie möglich monetarisieren, sagte BASF-Finanzvorstand Dirk Elvermann, das gehe erst, wenn die "Separierung" durch sei, "irgendwann 2024".

Mehr Freude hat Brudermüller in China, wo der Konzern einen neuen Standort für bis zu zehn Milliarden Euro baut, und in den USA, wo BASF bei Investitionen künftig die "Anreizsysteme des Inflation Reduction Act" berücksichtigen wolle. Die US-Regierung subventioniert Investitionen in den Klimaschutz. Mit dem Düngemittel-Konzern Yara prüfe BASF den Bau einer Produktionsanlage für blauen Ammoniak. In Ludwigshafen will BASF eine seiner beiden Ammoniak-Anlagen schließen. Aber mit Verlagerungen habe das nichts zu tun, sagt Brudermüller: "Es gibt keine Verlagerungen in der BASF." Schließungen und Investitionen seien eine Entscheidung für den jeweiligen Markt. "Es wird nichts verschoben, wo wir dann nachher Waren aus China oder den USA nach Europa fahren." Brudermüller wirkt jetzt ein wenig genervt.

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