Industrie- und Handelskammern:Reich wie Dagobert

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Seit langem klagen Betriebe - im Bild ein Textilveredler für die Autoindustrie - über die Kammerbeiträge. (Foto: Hendrik Schmidt/PA/dpa)

Viele der 80 Industrie- und Handelskammern haben millionenschwere Rücklagen. Das Verwaltungsgericht Koblenz erklärt nun erstmals die Reserven einer IHK für zu hoch - mit Folgen für die Mitgliedsbeiträge.

Von Thomas Öchsner

Die 80 Industrie- und Handelskammern in Deutschland verfügen über eine schier unerschöpfliche Geldquelle. Sie übernehmen für den Staat gewisse Aufgaben wie etwa die Abnahme von Prüfungen im Ausbildungsbereich. Dafür müssen Unternehmen ab einer bestimmten Gewinnschwelle Beiträge zahlen. Manche Kammern können sich deshalb wie Dagobert Duck fühlen. "Sie schwimmen im Geld", sagt Kai Boeddinghaus, Geschäftsführer des Bundesverbands für freie Kammern (BFFK), der gegen die per Gesetz verordnete "Zwangsmitgliedschaft" kämpft.

Wie viele Millionen jede IHK schon auf die Seite gelegt hat, ist unklar. Der BFFK beziffert die Gesamtrücklagen der 80 Kammern auf knapp 1,7 Milliarden Euro. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) kann diesen Betrag nicht nachvollziehen. "Es spricht vieles dafür, dass in diese Berechnung nicht nur Rücklagenpositionen eingeflossen sind", heißt es beim Dachverband der 80 öffentlich-rechtlichen Körperschaften. Sicher aber ist: Unternehmer, die sich juristisch gegen ihre Beitragsbescheide wehren, bekommen jetzt erstmals auch vor Gericht Unterstützung. Und: Etliche Kammern haben bereits oder werden in Zukunft ihre Geldspeicher öffnen.

Unzulässige Vermögensbildung von mehreren Millionen Euro

Seit Jahren klagen Unternehmen immer wieder gegen die Pflichtbeiträge - ohne Erfolg. Nun ging die ITC Logistic Group in Koblenz vor den Kadi und erstritt ein zumindest für die Kammerrebellen spektakuläres Urteil. Darin stellt das Verwaltungsgericht Koblenz fest, dass die IHK Koblenz bei der Bildung von Rücklagen "eine unzulässige Vermögensbildung" in Höhe von mehreren Millionen Euro betrieben habe. Bei der Ausgleichs- und Liquiditätsrücklage sei "der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mit Blick auf deren Höhe offenkundig nicht mehr gewahrt".

Liquiditätsrücklagen dienen nach Angaben des DIHK vor allem dazu, bei schwankenden Einnahmen nicht unnötig Kredite in Anspruch nehmen zu müssen. Dem Gericht war das von der Koblenzer IHK gewählte Polster allerdings viel zu üppig ausgefallen: Dafür eine Summe vorzuhalten, die durchschnittlich den festgestellten Bedarf um etwa das Zehnfache übersteige, sei "selbst mit einer auf maximale Sicherheit ausgerichteten Finanzpolitik nicht zu rechtfertigen", schreiben die Richter und kommen zu dem Schluss: "Für die Beitragserhebung gegenüber der Klägerin bestand demnach kein Grund" (Az: 3 K 121/12.KO).

Auf die Rücklagen der Kammern wird schon lange immer wieder kritisch geschaut. Das Bundesverwaltungsgericht stellte bereits 1990 fest, solche finanzielle Reserven zu bilden, gehörten zu einer geordneten Haushaltsführung. Sie dürften jedoch nicht "unangemessen hoch" sein und "der Bildung von Vermögen dienen".

Firmen können auf sinkende Beiträge hoffen

Das bayerische Wirtschaftsministerium machte sich Anfang 2012 dafür stark, Liquiditätsrücklagen aufzulösen. Diese seien "nicht erforderlich", um die Funktionsfähigkeit der Kammern aufrechtzuerhalten. Um schwankende Beiträge kompensieren zu können, sei "die Ausgleichsrücklage ausreichend".

Inzwischen ist die Kehrtwende vollzogen: Nach dem neuen Muster-Finanzstatut soll jede IHK , soweit vorhanden, ihre Liquiditätsreserve bis 2018 auflösen. Viele der 3,6 Millionen kleinen und großen Firmen im Land, die bei einer IHK Mitglied sind, können deshalb auf sinkende Beiträge hoffen. Die IHK Kassel-Marburg hat zum Beispiel die Beiträge für 2014 um satte 30 Prozent gesenkt.

Boeddinghaus warnt jedoch davor, dass Kammern auch "aufgelöste Rücklagen einfach umbuchen oder wie beim Prunkbau der IHK München nachträglich anders ausgeben" können. Es sei eine Frage der Glaubwürdigkeit, dass die Kammern, "die vom Staat Gebühren- und Steuersenkungen fordern, hier mit gutem Beispiel vorangehen", sagt er.

Der DIHK merkt dagegen an, dass sie in den Jahren 2005 bis 2012 ihre Beitragssätze bereits 244 mal gesenkt haben. Der Kammerverband glaubt, dass das Koblenzer Urteil "in dieser Form keinen Bestand haben wird", weil die örtliche IHK den gesetzlichen Gestaltungsspielraum bei der Rücklagenbildung eingehalten habe. Revision ist bereits eingelegt. Boeddinghaus hofft dagegen darauf, dass sich nun auch andere Gerichte die Koblenzer Entscheidung genauer ansehen. Er ist überzeugt, dass alle Beitragsbescheide bundesweit rechtswidrig sind.

© SZ vom 14.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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