Indien:"Lasst sie nur heulen"

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Trifft mit seiner Kritik am wirtschaftlichen Kurs einen Nerv: der Abgeordnete Subramanian Swami. (Foto: Prashanth Vishwanathan/Bloomberg)

Nach dem Rücktritt von Indiens Notenbankchef tobt eine Debatte um die Geldpolitik. Ein Abgeordneter trifft einen Nerv.

Von Arne Perras, Singapur

Der Lärm, den der Rücktritt des indischen Notenbankchefs Raghuram Rajan auslöste, ist noch nicht verhallt. Dissonanz beherrscht die Debatte um die Zukunft der Zentralbank im bald bevölkerungsreichsten Staat der Welt. Viele Stimmen, vor allem aus der internationalen Finanzwelt, interpretieren den Abgang Rajans als Schaden für Indien. Doch mitten hinein in den Klagechor trompeten andere ihre unverhohlene Freude. "Lasst sie nur heulen", sagt Subramanian Swami, der nun triumphiert.

Dieser Mann gibt dem Anti-Rajan-Lager eine Stimme, viele Attacken gegen den Notenbanker hat er angeführt und so offenkundig dazu beigetragen, dass dem früheren IWF-Ökonomen die Lust an einer zweiten Amtszeit in Delhi gründlich vergangen ist. Und es sieht so aus, als sei Swami immer noch nicht fertig. Denn schon zielt er auf den nächsten international renommierten Experten im Team der Regierung: den wirtschaftlichen Topberater Arvind Subramanian. Was kaum ein Zufall ist, weil Arvind als ein möglicher Nachfolger Rajans gehandelt wird.

"Schmeißt ihn raus", wettert also Swami und behauptet, dass Arvind bei Streitigkeiten um Patentrechte anti-indische Positionen bezogen hätte. Damit verfolgt Swami eine ähnliche Strategie wie schon zuvor bei Rajan, dem er vorwarf, "im Geiste kein echter Inder" zu sein, weil er ja noch eine Greencard für die USA besitze. Mehr noch: Rajan unterstellte er einen "anscheinend gewollten Versuch, die indische Ökonomie zu ruinieren". Das sind schon schwere Geschütze in einem Land, in dem die Debatte um Patriotismus und Nationalismus so stark aufgeladen ist. Wem dort mangelnde Loyalität oder indirekt sogar Sabotage untergeschoben wird, befindet sich politisch in einer prekären Lage. Rajan hat sich daraus quasi per Schleudersitz befreit, indem er überraschend seine Rückkehr an die Universität von Chicago ankündigte.

Nun ist es aber sicherlich nicht so, dass rüde Attacken eines einzelnen Abgeordneten ausreichen könnten, einen international anerkannten Notenbankchef zu stürzen. Da muss schon mehr dahinter sein, mutmaßen die Inder. Und haben nicht übersehen, dass ihr Premier Narendra Modi seine schützende Hand eben gerade nicht über Rajan hielt, als der immer wieder weit unter der Gürtellinie attackiert wurde.

Ironischerweise verbrachte auch Swami einige Zeit in den USA, um sich ökonomisch zu bilden, er ist Harvard-Absolvent. Nun zählt er offenkundig zu jenen, die Rajan als Verfechter einer westlich geprägten monetären Politik ablehnen, ohne dass ersichtlich wird, was genau folgen soll.

Der Hindu-Rechten dürfte es gefallen, wie Swami voranprescht. Sie mochten es gar nicht, dass Rajan auch in politischen Fragen Stellung bezog, etwa als er mehr religiöse Toleranz einforderte. Was die ökonomische Strategie betrifft, so sagen Rajans Kritiker, dass die hohen Zinsen, die er vertrat, schädlich gewesen seien. Sie hätten Indiens Ökonomie daran gehindert abzuheben "Es wird jetzt eine stärkere Pro-Wachstums-Atmosphäre geben", prophezeit Swami. "Man wird jetzt all diese veralteten Theorien über Inflationskontrolle durch Zinserhöhung nicht mehr hören müssen". Swami betont dabei, dass kleinere und mittlere Unternehmen unter der Zinspolitik Rajans gelitten hätten, womit er durchaus einen Nerv getroffen hat.

Andererseits schürt die scharfe Rhetorik Swamis unter Investoren Unruhe. Rajan galt als Mann, der die Währungskrise gut gemeistert hat und dabei half, Indien wirtschaftliche Stabilität zu geben. Vor allem hatte er begonnen, das gewaltige Problem fauler Kredite anzugehen, was gut vernetzte Unternehmer, die an schnelles Geld gewöhnt waren, verärgerte. Wie sein Nachfolger mit all diesen Fragen umgehen wird, ist offen. Vorerst gehen erst mal alle in Deckung, weil Swami aus allen Rohren feuert.

© SZ vom 24.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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